Schwäbische Zeitung (Biberach)
Nicht rechts genug
In Burladingen kommen die AfD-Rebellen zu Wort, die die Partei gerne loswerden möchte
STUTTGART/BURLADINGEN (dpa) Am Ende war Björn Höcke dann doch irgendwie anwesend auf der Schwäbischen Alb. Anhänger seines rechtsnationalen „Flügels“hatten in der Burladinger Stadthalle Aufsteller mit seinem Konterfei auf die Bühne gestellt. „Höcke! Höcke! Höcke!“rufen zu Beginn des Treffens viele der rund 250 Gäste. Dann werden die Plakate plötzlich umgedreht, schließlich sei es keine „Flügel“-Veranstaltung, sagt die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Christina Baum auf der Bühne.
Nachdem sie sich nicht in Ulm versammeln durften, kam die Splittergruppe des sogenannten Stuttgarter Aufrufs in Burladingen zusammen, wo Bürgermeister Harry Ebert selbst AfD-Mitglied ist. Es sind die rechten Rebellen der AfD, die hier ans Mikrofon treten dürfen. Die, gegen die derzeit ein Parteiausschlussverfahren läuft – und deretwegen der Verfassungsschutz derzeit ganz genau auf die Partei schaut.
Der Inlandsnachrichtendienst hat die Partei Mitte Januar zum Prüffall erklärt. Noch genauer hinschauen will die Behörde bei der rechtsnationalen Parteivereinigung „Der Flügel“und bei der Jungen Alternative. Die AfD will dem Verfassungsschutz gerichtlich verbieten lassen, sie öffentlich einen „Prüffall“zu nennen.
Die Parteispitze versucht seit Längerem, einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz mit V-Leuten und Telefonüberwachung zu entgehen. Der Bundesvorstand hatte im September 2018 eine Kommission gegründet, die dafür eine Strategie entwickeln sollte. Ein von der AfD bestellter Gutachter warnte davor, Begriffe wie „Überfremdung“und „Umvolkung“zu benutzen.
In Burladingen betrachtet man das als den genau falschen Weg. Aus Angst vor einer Beobachtung habe die Partei eine „innerparteiliche Spionagegruppe“eingerichtet und grenze Mitglieder aus, kritisiert Baum, die dem „Flügel“angehört. Sie hat auf die Alb geladen. Im rechtsnationalen Spektrum der Partei klagen viele AfD-Mitglieder bereits länger über einen sich verengenden Meinungskorridor. Im Herbst gehörte Baum zu den Initiatoren des Stuttgarter Aufrufs, in dem sich AfD-Mitglieder gegen „Denk- und Sprechverbote“aussprachen.
Rechtsaußen aus dem ganzen Land
Davon ist in Burladingen nichts zu spüren. Unter den Rednern sind Mitglieder aus ganz Deutschland, die einen Parteirauswurf fürchten müssen. Etwa Doris von Sayn-Wittgenstein, ehemals Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein, die wegen Kontakten zu einem rechtsextremistischen Verein aus der Partei fliegen soll. Oder der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Stefan Räpple, der nach Zwischenrufen im Dezember von der Polizei aus dem Landtag geführt wurde.
Räpple wirbt in Burladingen für einen radikaleren Kurs – und erhält viel Applaus. Gerade durch Äußerungen wie zum Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze oder durch den Besuch der Demonstrationen in Chemnitz habe die AfD in der Wählergunst zugelegt. Räpple marschierte in Chemnitz Seite an Seite mit Rechtsextremisten.
Im Saal sind Menschen, die die blaue Kornblume am Revers tragen, die in Österreich einst als Erkennungszeichen der Nationalsozialisten diente. „Das ist der Hardcoreflügel, der völkische Flügel“, sagt ein Demonstrant aus Tübingen. Er steht mit ein paar Dutzend anderen vor der Stadthalle in der Kälte. Dort wehen Fahnen der IG Metall, der SPD, der Antifa. „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“schreien sie an der Absperrung. Der Demonstrant aus Tübingen hält die ganze AfD für gefährlich, nicht nur die rechte Splittergruppe. Die da drinnen äußerten sich nur offener als die anderen.