Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kein Knicks für die Royals in Heidelberg
First Lady Gerlinde Kretschmann über ihr Leben an der Seite des Ministerpräsidenten
RIEDLINGEN – Seit 2011 ist Winfried Kretschmann aus Laiz Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Und damit ist Gerlinde Kretschmann die First Lady des Landes. Von ihrem Leben an der Seite des Ministerpräsidenten, von ihren karitativen Aufgaben berichtete Gerlinde Kretschmann bei „LimA“(Lebensqualität im Alter) in Riedlingen – und das auf sehr authentische und sympathische Art.
Obwohl der Vormittag ihr gewidmet ist, spricht Gerlinde Kretschmann zuerst über ihren Mann. Schwäbisch redet sie und das kommt beim Publikum gut an. Seit 2011 ist er Ministerpräsident, doch ein MP fällt „nicht vom Himmel“, sagt sie. Er habe „viel schrubben müssen“in der Politik bis zu diesem Amt. Die Woche über sei er in Stuttgart, denn von Laiz aus in die Landeshauptstadt, das sei eine „Mordsfahrerei“. Die nächtlichen Telefonate nach einem langen Arbeitstag fielen kurz aus.
Die Ministerpräsidenten der Länder seien in Personalunion Regierende und Repräsentanten, ruft sie in Erinnerung. Einen Teil der repräsentativen Aufgaben übernehme sie. „Meine Arbeit ist ehrenamtlich und freiwillig“, betont sie. Das sei ihr wichtig. Und sie mache das gerne. Zu Hause ist sie Lektorin in der Kirche, singe im Kirchenchor, ist im Bildungswerk tätig und als Wanderführerin im Schwäbischen Albverein. Dass ihr Mann 2018 nur an einem Sonntag Zeit zum Wandern hatte, bedauert sie und hofft, dass dies 2019 besser wird.
Einsatz in Vesperkirchen
Eindrücklich erzählt sie von ihrem Einsatz in Vesperkirchen in vielen Städten, wo man der „ganzen Bandbreite der Gesellschaft“begegne, Elend und Bedürftigkeit. Sehr viel unterwegs sei sie für die Landfrauen, preise zum Beispiel „Gsälz“auf dem Stuttgarter Weihnachtsmarkt für soziale Projekte an. Als Schirmherrin für das Mammografie-Screening sei sie schon angefeindet worden. Sie fungiert als Botschafterin für das Mariphil-Projekt auf den Philippinen und unterstützt weitere Einrichtungen.
Mit Riedlinger Kleid beim Papst
Klar, dass die vielen Frauen und wenigen Männer wissen wollen, wem sie schon begegnet ist als First Lady Baden-Württembergs. Zwei Päpste gehören dazu: Benedikt XVI., den sie zusammen mit ihrem Mann bei seinem Deutschlandbesuch in Lahr begrüßen und verabschieden durfte. Zu Papst Franziskus „mussten wir nach Rom“. Ihr Mann hatte dort eine Privataudienz „und ich durfte mit“. Zur nachgefragten Kleiderordnung berichtet sie, dass sie dazu in Riedlingen „ein gedecktes und bedecktes Kleid“gekauft habe. Wäre ein Schleier als Kopfbedeckung verlangt worden, hätte für sie festgestanden: „Da mache ich nicht mit“.
Auch ein „Knicksle“vor den Royals aus England wäre für sie nicht infrage gekommen, sagt sie zum Besuch von Prinz William und Herzogin Kate in Heidelberg. „Ein sympathisches Paar“, dass solche repräsentative Aufgaben wohl „sehr gerne macht“, denn sonst „hält man das nicht aus“.
In Erinnerung geblieben ist ihr der Besuch aber auch wegen der Präsenz von Hunderten von Polizisten und den Dudelsack-Pfeifern, die so lange warten mussten und mit ihrem Spiel kaum zur Geltung kamen. Dass sie dann – dank Gerlinde Kretschmann – noch exklusiv für den Ministerpräsidenten spielen durften, tat ihnen gut. Barack Obama und seiner Frau Michelle ist sie in Berlin begegnet, dem amtierenden Bundespräsidenten und seinen zwei Vorgängern auch, Pflichtprogramm, „wenn die Frauen dabei sind“.
Viele Auslandsreisen
Wären da noch die vielen Auslandsreisen, bei denen ihr Mann häufig als „Türöffner“für die Wirtschaft fungiert. Sie sucht sich hier ihr eigenes Programm und die Wahl zeigt ihr soziales Engagement: Slums in Südamerika oder Indien. Als sie in Rio de Janeiro gewahr wurde, dass die Schule keine Lehr- und Lernmittel besaß, veranstaltete sie unter den Mitreisenden spontan eine Sammlung. Ihr wurde das einzig vorhandene geriatrische Klinikum in Japan vorgestellt.
„...was Männer nicht mitkriegen“
Bei der Übergabe eines medizinischen Gerätes in Indien wurde sie konfrontiert mit Kindern, die mit einer Hasenscharte oder einem Wolfsrachen geboren wurden. In den USA und in Kanada waren Flüchtlingseinrichtungen ihr Ziel. Wichtig sei ihr, mit den Frauen in den jeweiligen Ländern ins Gespräch zu kommen. Sie erfahre dabei viel, „was die Männer nicht mitkriegen“. Ihrem Mann erzählt sie es.
Zu Hause sei sie gerne bei der Eröffnung von Gartenschauen und Heimattagen dabei. In Stuttgart steht sie an der Seite ihres Mannes bei Neujahrsempfängen, den Besuchen der Sternsinger und demnächst der Narren.
Als Gastgeschenk wurde ihr nach dem Vortrag auch etwas Fasnachtliches überreicht: Sie erhielt von Christa Enderle einen wärmenden Schal in den Narrenfarben des Gole. Es war ein heiterer Vormittag im Johannes Zwick-Haus. Beifall brandete auf, es wurde fröhlich gelacht, aber auch tief empfunden als Gerlinde Kretschmann zu Gast bei „LimA“war. Doch an diesem Morgen waren noch weitere Gäste zugegen: Hildegard Bosch als LimA-Leiterin begrüßte auch Mitglieder des evangelischen Frauenkreises, des katholischen Frauenbundes und der VHSSportlerinnen.