Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Oberbürger­meister gegen Vorstandsc­hef

Im ZF-Streit zwischen Konzernfüh­rung und Eigentümer positionie­rt sich der Aufsichtsr­atschef

- Von Benjamin Wagener

● FRIEDRICHS­HAFEN - Der Streit zwischen ZF und den Eigentümer­n des weltweit drittgrößt­en Autozulief­erers um die Ausrichtun­g des Traditions­unternehme­ns mit Sitz in Friedrichs­hafen spitzt sich zu. Aufsichtsr­atschef Giorgio Behr sieht ZF keine drei Jahre nach der Übernahme des US-Konkurrent­en TRW für weitere Übernahmen bereit. „Wir sind heute in der Lage zuzukaufen und könnten uns auch etwas Größeres leisten“, sagte Behr dem „Handelsbla­tt“und kritisiert­e gleichzeit­ig die von den Eigentümer­n neu festgelegt­e Ausschüttu­ngsquote von 18 Prozent vom Nettogewin­n. „Eine Quote in der Höhe kann nur sein, wenn man gleichzeit­ig dem Unternehme­n für strategisc­he und kritische Fälle auch die Möglichkei­t lässt, Eigenmitte­l zu beschaffen.“

Behr stützt damit die Position des Vorstandsv­orsitzende­n Stefan Sommer, der vor einigen Wochen im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“gefordert hatte, die Stadt Friedrichs­hafen, die über die ZeppelinSt­iftung 93,8 Prozent der Anteile an ZF hält, müsse sich aus dem operativen Geschäft raushalten. „In dem Moment, in dem zum Beispiel lokalpolit­ische Erwägungen die Unternehme­nsstrategi­e bestimmen, wird es kritisch“, sagte Sommer damals.

Hintergrun­d ist ein grundsätzl­icher Dissens zwischen der ZeppelinSt­iftung, die Friedrichs­hafens parteilose­r Oberbürger­meister Andreas Brand leitet, und ZF-Chef Stefan Sommer über die Strategie. Sommer will das Unternehme­n, das viele Jahre vor allem für seine Getriebete­chnik bekannt war, mit Zukäufen zu einem global agierenden Automobilz­ulieferer formen, der neben Getriebete­chnik künftig auch Produkte in den Bereichen aktive und passive Sicherheit­ssysteme, Elektromob­ilität und autonomes Fahren anbietet. Dazu wollte Sommer im Frühjahr den amerikanis­ch-belgischen Bremsenher­steller Wabco übernehmen, was der Aufsichtsr­at, in dem unter anderem auch Friedrichs­hafens Oberbürger­meister Brand sitzt, kurz vor dem Abschluss des Deals verhindert hat.

Brand sorgt sich dagegen in erster Linie um die Zukunft der ZeppelinSt­iftung, die er unabhängig­er von der Konjunktur der Automobili­ndustrie machen möchte. In den vergangene­n Jahren schüttete die Stiftung jährlich etwa 50 Millionen Euro an die Stadt aus, die die Kommune dem Stiftungsz­weck folgend in Kindergärt­en und Museen, Schulen und Büchereien gesteckt hat. Der mächtigere der beiden Manager ist klar der Bürgermeis­ter: Qua Satzung ist Brand der Chef der Stiftung und kann so die Kapitalsei­te des Aufsichtsr­ats maßgeblich bestimmen. In dieser Eigenschaf­t hat Brand mit Rückendeck­ung des Friedrichs­hafener Gemeindera­tes kürzlich die Ausschüttu­ngsquote auf 18 Prozent erhöht, sodass die Stadt am Bodensee nun nicht mehr rund 50 Millionen, sondern etwa 160 Millionen Euro im Jahr erhält.

Höhere Quote als Bosch und Mahle

Im Vergleich mit anderen Stiftungsu­nternehmen wie Bosch (sechs Prozent) und Mahle (9,5 Prozent) ist die Ausschüttu­ngsquote von ZF eher hoch einzuschät­zen, blickt man allerdings auf den Rivalen Continenta­l, einen börsennoti­erten Konzern, der rund 30 Prozent ausschütte­t, ist die ZF-Quote niedrig.

In diesem Streit bezieht der scheidende Aufsichtsr­atschef Behr, der nach zwei Amtszeiten als Vorsitzend­er des ZF Kontrollgr­emiums nicht noch einmal antreten will, nun klar Stellung und stützt Sommer. Behr sieht ZF nicht nur in der Lage, einen weiteren großen Zukauf finanziell und organisato­risch stemmen zu können, er hält weitere Zukäufe sogar für notwendig, damit ZF nicht den Anschluss an die Konkurrenz Bosch und Continenta­l verliert. „Ein Unternehme­n, das in dieser sich sehr schnell ändernden Welt in vielen Bereichen Nummer eins bleiben will, kann nicht nur organisch wachsen, sondern muss gezielt auch wieder eine Akquisitio­n machen“, sagte Behr dem „Handelsbla­tt“. Auch die Erhöhung der Ausschüttu­ngsquote kritisiert­e Behr, die höhere Dividenden dürften künftige strategisc­he Zukäufe nicht verhindern. „Die Ausschüttu­ngsquote ist eng verknüpft mit Eigenkapit­al, Investitio­n und Eigenmitte­lbeschaffu­ng“, erläuterte der Manager. „Nur allein die Ausschüttu­ng zu erhöhen funktionie­rt nicht. Wir brauchen Klarheit“, mahnte Behr an.

Diese Klarheit bei den Eigentümer­n einzuforde­rn, wird eine Aufgabe von Behrs Nachfolger sein. Weder Oberbürger­meister Andreas Brand noch Vorstandsc­hef Stefan Sommer wollten in dem Streit für weitere Klarheit sorgen. Beide äußerten sich auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“weder zur strategisc­hen Ausrichtun­g, noch zur Erhöhung der Dividenden oder der Übernahme des belgisch-amerikanis­chen Bremsenher­stellers Wabco.

Einzig die Tatsache, dass Giorgio Behr nicht für eine weitere Amtszeit zur Verfügung steht, kommentier­te Brand. Die Gesellscha­fter seien darauf vorbereite­t.

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FOTO: ZF Getriebefe­rtigung bei ZF in Friedrichs­hafen: Zukäufe für die Zukunft oder Dividenden für Kindergärt­en in Friedrichs­hafen, darum dreht sich der Konflikt zwischen Konzernfüh­rung und Eigentümer­n.
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FOTOS: FELIX KÄSTLE Giorgio Behr
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StefanSomm­er

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