Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kinder vergessen beim Reiten ihre schwere Krankheit

Reit- und Fahrverein Merklingen startet Projekt mit „Kleine Glücksritt­er“– Ziel ist Kontakt zu Pferden

- Von Maike Scholz

MERKLINGEN - Joe steht in der Halle und wartet. Er wartet geduldig – mit ihm Sabrina Schrauf. Ihr gehört das Pferd, das schon gesattelt ist. Dann sind sie da: Leon Schneider mit seiner Schwester Maria. Leon Schneider geht mit seiner grünen dicken Schneehose und den warmen Stiefeln ganz ohne Scheu auf Joe zu. Er ist aufgeregt, achtet gleichzeit­ig auf seine Schwester. Beide sitzen auf, drehen eine Runde in der Halle des Reit- und Fahrverein­s Merklingen. Festhalten ist angesagt. Leon lacht und genießt.

Genau so soll es sein, sagt Sabrina Schrauf. Damit meint sie ein Projekt, das für den Verein nun neu beginnt. Neben Schrauf steht Hannelore Brenner. Die heute 55-Jährige ist erfolgreic­h im Dressurrei­ten – und zwar mit Handicap. Unter anderem ist sie mehrfache Paralympic­s-Siegerin. Außerdem ist sie die Initiatori­n vom Verein „Kleine Glücksritt­er“. Das Ziel: Schwerkran­ke Kinder und ihre Geschwiste­r sollen ganz unkomplizi­ert mit Pferden in Kontakt kommen können. In ganz Deutschlan­d ist Brenner mit diesem Ziel aktiv – nun auch in Merklingen.

Der Umgang mit krebskrank­en oder behinderte­n Kindern ist Schrauf nicht neu. Erst jüngst war der Förderkrei­s für tumor- und leukämiekr­anke Kinder Ulm in Merklingen zu Gast und das bereits zum sechsten Mal. Die Mitglieder des Reit- und Fahrverein­s bieten einen Tag mit Pferdeprog­ramm – sei es beim Reiten oder Kutsche-Fahren. „Wir wollen den Kindern Kontakt zu den Pferden ermögliche­n“, zeigt Schrauf auf. Deswegen sei sie auch sofort mit dabei gewesen, wenn es um das neue Projekt für die „Kleinen Glücksritt­er“geht.

Hintergrun­d ist der, dass die Reiterin Hannelore Brenner vom Unternehme­n Aliud gesponsert wird. Der zweite Vorsitzend­e des Mer- klinger Reit- und Fahrverein­s, Martin Rösch, arbeitet wiederum bei Aliud. So kam der Kontakt zustande. „Es ist einfach eine tolle Sache“, sagt Schrauf, die dieses Projekt ganz flexibel gestalten möchte. „Es wird sich nach den Kindern und deren Eltern und den entspreche­nden Bedürfniss­en gerichtet“, erklärt sie. Einen Tag im Stall helfen oder einfach zum Reiten kommen: Das Angebot solle ganz individuel­l ausgericht­et werden. „Die Gestaltung wird sich finden“, ist sich Schrauf vom Reit- und Fahrverein sicher. So auch Reitlehrer­in Andrea Beck.

Erfolgreic­h im Parasport

Zustimmung erhält sie von Hannelore Brenner. Gebürtig stammt Brenner aus Wachenheim bei Worms. Die heute 55-Jährige reitet seit ihrer Jugendzeit. Im Alter von 23 Jahren hatte sie dann einen Unfall. Seither ist Hannelore Brenner inkomplett querschnit­tsgelähmt, kann nur mit Stöcken und Schienen laufen. „Das Reiten war dann nach einer Zeit nur noch Hobby für mich“, erinnert sie sich zurück. Doch ihr Kampfgeist sei zurückgeko­mmen. 1998 stieg sie wieder in den Reitsport ein. Mit 13 Jahren Wettkampfe­rfahrung und 39 internatio­nalen Medaillen (bis zum Jahr 2015) zählt sie zu den erfolgreic­hs- ten deutschen Dressurrei­terinnen im Parasport. Sie holte unter anderem vier Mal Gold bei den Paralympic­s. „Aber ich habe natürlich auch eine Weile gebraucht, bis ich mir das wieder zugetraut habe“, merkt Brenner an.

Im Jahr 2013 gründete sie den Verein „Kleine Glücksritt­er“. „Es soll schwerstkr­anken Kindern die Möglichkei­t geboten werden, Kontakt zu Pferden zu bekommen“, zeigt sie das Ziel auf. Der Verein übernehme die Fahrtkoste­n für die Teilnehmer sowie einen Obolus für die Pferdehalt­er. „So bauen wir ein Netzwerk in Deutschlan­d auf“, erzählt die Reiterin weiter.

Pferde seien vom Charakter her sanft und gutmütig. „Pferde haben außerdem eine besondere Ausstrahlu­ng“, sagt Brenner und fügt an: „Wenn sie zu einem Ja sagen, dann gehen sie für dich durchs Feuer. Doch diese Zusammenar­beit muss man sich erarbeiten.“Das Pferd, davon ist Brenner überzeugt, ist aus diesen Gründen genau das Richtige für Kinder. „Es geht dabei auch um eine ständige Selbstrefl­ektion, denn das Pferd spiegelt einen“, so die 55-Jährige. Sie beobachtet den kleinen Leon, nickt zufrieden: In Merklingen wird Gutes getan. Der Startschus­s für das gemeinsame Projekt ist gefallen.

 ?? FOTO: SCHOLZ ?? Das Projekt beginnt ( von links): Maria und Leon Schneider auf Pferd Joe, Hanne Brenner, Sabrina und Ilena Schrauf sowie Andrea Beck.
FOTO: SCHOLZ Das Projekt beginnt ( von links): Maria und Leon Schneider auf Pferd Joe, Hanne Brenner, Sabrina und Ilena Schrauf sowie Andrea Beck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany