Kinder vergessen beim Reiten ihre schwere Krankheit
Reit- und Fahrverein Merklingen startet Projekt mit „Kleine Glücksritter“– Ziel ist Kontakt zu Pferden
●
MERKLINGEN - Joe steht in der Halle und wartet. Er wartet geduldig – mit ihm Sabrina Schrauf. Ihr gehört das Pferd, das schon gesattelt ist. Dann sind sie da: Leon Schneider mit seiner Schwester Maria. Leon Schneider geht mit seiner grünen dicken Schneehose und den warmen Stiefeln ganz ohne Scheu auf Joe zu. Er ist aufgeregt, achtet gleichzeitig auf seine Schwester. Beide sitzen auf, drehen eine Runde in der Halle des Reit- und Fahrvereins Merklingen. Festhalten ist angesagt. Leon lacht und genießt.
Genau so soll es sein, sagt Sabrina Schrauf. Damit meint sie ein Projekt, das für den Verein nun neu beginnt. Neben Schrauf steht Hannelore Brenner. Die heute 55-Jährige ist erfolgreich im Dressurreiten – und zwar mit Handicap. Unter anderem ist sie mehrfache Paralympics-Siegerin. Außerdem ist sie die Initiatorin vom Verein „Kleine Glücksritter“. Das Ziel: Schwerkranke Kinder und ihre Geschwister sollen ganz unkompliziert mit Pferden in Kontakt kommen können. In ganz Deutschland ist Brenner mit diesem Ziel aktiv – nun auch in Merklingen.
Der Umgang mit krebskranken oder behinderten Kindern ist Schrauf nicht neu. Erst jüngst war der Förderkreis für tumor- und leukämiekranke Kinder Ulm in Merklingen zu Gast und das bereits zum sechsten Mal. Die Mitglieder des Reit- und Fahrvereins bieten einen Tag mit Pferdeprogramm – sei es beim Reiten oder Kutsche-Fahren. „Wir wollen den Kindern Kontakt zu den Pferden ermöglichen“, zeigt Schrauf auf. Deswegen sei sie auch sofort mit dabei gewesen, wenn es um das neue Projekt für die „Kleinen Glücksritter“geht.
Hintergrund ist der, dass die Reiterin Hannelore Brenner vom Unternehmen Aliud gesponsert wird. Der zweite Vorsitzende des Mer- klinger Reit- und Fahrvereins, Martin Rösch, arbeitet wiederum bei Aliud. So kam der Kontakt zustande. „Es ist einfach eine tolle Sache“, sagt Schrauf, die dieses Projekt ganz flexibel gestalten möchte. „Es wird sich nach den Kindern und deren Eltern und den entsprechenden Bedürfnissen gerichtet“, erklärt sie. Einen Tag im Stall helfen oder einfach zum Reiten kommen: Das Angebot solle ganz individuell ausgerichtet werden. „Die Gestaltung wird sich finden“, ist sich Schrauf vom Reit- und Fahrverein sicher. So auch Reitlehrerin Andrea Beck.
Erfolgreich im Parasport
Zustimmung erhält sie von Hannelore Brenner. Gebürtig stammt Brenner aus Wachenheim bei Worms. Die heute 55-Jährige reitet seit ihrer Jugendzeit. Im Alter von 23 Jahren hatte sie dann einen Unfall. Seither ist Hannelore Brenner inkomplett querschnittsgelähmt, kann nur mit Stöcken und Schienen laufen. „Das Reiten war dann nach einer Zeit nur noch Hobby für mich“, erinnert sie sich zurück. Doch ihr Kampfgeist sei zurückgekommen. 1998 stieg sie wieder in den Reitsport ein. Mit 13 Jahren Wettkampferfahrung und 39 internationalen Medaillen (bis zum Jahr 2015) zählt sie zu den erfolgreichs- ten deutschen Dressurreiterinnen im Parasport. Sie holte unter anderem vier Mal Gold bei den Paralympics. „Aber ich habe natürlich auch eine Weile gebraucht, bis ich mir das wieder zugetraut habe“, merkt Brenner an.
Im Jahr 2013 gründete sie den Verein „Kleine Glücksritter“. „Es soll schwerstkranken Kindern die Möglichkeit geboten werden, Kontakt zu Pferden zu bekommen“, zeigt sie das Ziel auf. Der Verein übernehme die Fahrtkosten für die Teilnehmer sowie einen Obolus für die Pferdehalter. „So bauen wir ein Netzwerk in Deutschland auf“, erzählt die Reiterin weiter.
Pferde seien vom Charakter her sanft und gutmütig. „Pferde haben außerdem eine besondere Ausstrahlung“, sagt Brenner und fügt an: „Wenn sie zu einem Ja sagen, dann gehen sie für dich durchs Feuer. Doch diese Zusammenarbeit muss man sich erarbeiten.“Das Pferd, davon ist Brenner überzeugt, ist aus diesen Gründen genau das Richtige für Kinder. „Es geht dabei auch um eine ständige Selbstreflektion, denn das Pferd spiegelt einen“, so die 55-Jährige. Sie beobachtet den kleinen Leon, nickt zufrieden: In Merklingen wird Gutes getan. Der Startschuss für das gemeinsame Projekt ist gefallen.