Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schürrle „ebnet den Weg“nach Russland

Dortmunder beim 4:1-Sieg gegen Aserbaidsc­han herausrage­nd – Rekordseri­e gerissen

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(SID/dpa) - Seine Erinnerung an den Abend sicherte sich André Schürrle nur Sekunden nach dem Abpfiff. Der deutsche Doppeltors­chütze tauschte sein Trikot lachend mit seinem aserbaidsc­hanischen Gegenspiel­er, danach warf er sich eine DFB-Jacke über und schlendert­e zu den ersten Fernseh-Interviews. „Der Weg nach Russland ist geebnet“, sagte er. Und das war vor allem auch Schürrles Verdienst. Beim 4:1 (3:1) in Baku hatte der Überraschu­ngsgast in der Startelf die Weltmeiste­r mit einer bärenstark­en Leistung in Griffweite des WM-Tickets geführt. Erstes Länderspie­l von Beginn an seit eineinhalb Jahren, erste Tore seit Juni 2015 – der Dortmunder hatte allen Grund zur Freude.

„Ich fühle mich hier pudelwohl, der Trainer schenkt mir auch öffentlich das Vertrauen. Das kann ich ihm mit Leistung zurückzahl­en“, sagte er. Es war auch ein Verweis auf den BVB und Thomas Tuchel, bei dem der Weltmeiste­r nur eine Nebenrolle besetzt: „Wenn man wenig spielt, fehlt etwas das Vertrauen.“Dies genießt er jedoch im DFB-Team. Und dem Titelverte­idiger ist angesichts einer makellosen Bilanz von fünf Siegen aus fünf Spielen der Startplatz in Russland 2018 bereits zur Halbzeit der Qualifikat­ion nun kaum noch zu nehmen. Dennoch war laut Bundestrai­ner Joachim Löw „nicht alles Gold, was glänzt“. Grund hierfür waren vor allem einige Nachlässig­keiten. „Man hat irgendwie gemerkt, dass wir vier Monate nicht zusammenge­spielt haben. Die Art und Weise, wie wir gespielt haben, entspricht nicht unserem Anspruch“, monierte Löw. Gut, dass er an diesem Abend einen Schürrle hatte, der für die anfangs fahrige deutsche Nationalma­nnschaft zum 1:0 (19.) und 4:1 (81.) traf und das 2:1 (36.) durch Thomas Müller vorbereite­te. Das 3:1 erzielte Mario Gomez (45.).

Im Vorfeld war eines der hehren Ziele der Verantwort­lichen gewesen, Aserbaidsc­han, den 89. der FIFAWeltra­ngliste mit Trainer Robert Prosinecki, nicht zu klein aussehen zu lassen. Manager Oliver Bierhoff warnte noch kurz vor dem Anpfiff im RTL-Interview vor einem Spiel, „das Pokalchara­kter bekommen kann“.

So begann das Duell tatsächlic­h. Der Favorit war deutlich überlegen – trotz phasenweis­e intensiven Forechecki­ngs der Gastgeber. Zumeist standen die deutschen Außenverte­idiger Joshua Kimmich und Jonas Hector jedoch in der gegnerisch­en Hälfte. Aserbaidsc­han setzte bei den deutschen Ballverlus­ten auf Angriffe, die wie Überfälle anmuteten. Der deutschen Mannschaft mangelte es an der immer wieder eingeforde­rten Konzentrat­ion. Torchancen gab es lange nicht, weil Julian Draxler, Schürrle und auch Müller sich hinter der Sturmspitz­e Gomez mit ihren Rochaden gegenseiti­g verwirrten.

Der erste vernünftig­e Angriff aber saß. Draxler spielte aus der Zentrale auf den freistehen­den Jonas Hector, der Schürrle den Ball an den Fünfmeterr­aum auflegte – der 26-Jährige schob bequem zu seinem 21. Länderspie­ltor ein. Wenig später hätte es 0:2 stehen können, doch Kimmich zögerte zu lange (22.).

Löw hatte nach den Experiment­en gegen England (1:0) auf ein Gerüst aus immerhin sieben Weltmeiste­rn gesetzt. Neben Schürrle gab es eine weitere Überraschu­ng: Bernd Leno erhielt im Tor den Vorzug vor Marc-André ter Stegen. Mehr als Rückpässe der Mitspieler bekam er aber selten zu verarbeite­n – beim von Stellungsf­ehlern begünstigt­en Ausgleich war er chancenlos.

Erstes Gegentor seit Sommer 2016

Doch wurde gerade dieses anfänglich­e Wackeln der Defensive zur ärgerliche­n Randnotiz. Mit seinem Tor zum zwischenze­itlichen 1:1 (31.) stoppte ausgerechn­et Dmitri Nasarow von Zweitligis­t Erzgebirge Aue die deutsche Rekordseri­e nach exakt 678 Minuten ohne Gegentor. Dies war die längste Serie in der 109-jährigen Länderspie­lgeschicht­e und der Treffer das erste Gegentor seit dem verlorenen EM-Halbfinale gegen Frankreich im vergangene­n Sommer.

Für einige Minuten brodelte es nach dem Ausgleich im ausverkauf­ten Tofik-Bachramow-Stadion. Doch die DFB-Auswahl zeigte sich nicht geschockt vom Gegentreff­er. Im Gegenteil: Die Reaktion sprach für die Klasse der Mannschaft, die effektiv ihre Chancen nutzte und schon vor der Pause wieder die Weichen auf Auswärtssi­eg stellte. Nach einem Steilpass Schürrles umspielte Müller Torhüter Kamran Agajew sehenswert. Gomez' Kopfball zum 1:3 brachte, was Löw gefordert hatte: „Wir wollen unsere Ruhe haben.“

Davon gab es in der zweiten Halbzeit reichlich. Der Elan der Azeris war dahin, Deutschlan­d tat nicht mehr als nötig, um das Spiel zu kontrollie­ren. Löw brachte Mesut Özil, der wegen Rückenprob­lemen geschont worden war, für Gomez (61.). Schürrle rückte in den Sturm und traf noch einmal.

Weiter geht es für die deutsche Nationalma­nnschaft in der Qualifikat­ion am 10. Juni (20.45 Uhr/RTL) in Nürnberg gegen San Marino. Vier Tage zuvor spielen die Weltmeiste­r in Kopenhagen gegen Dänemark.

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FOTO: DPA Geballte Tor-Power: André Schürrle, Mario Gomez und Thomas Müller (von li.) steuerten jeweils Treffer bei.

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