Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Die Sehnsucht des Außenseite­rs

Frankfurt will die Pokal-Überraschu­ng – Für zwei Profis ist es eine emotionale Rückkehr

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(SID/dpa/sz) - Endlich „mal nicht Bayern München gegen Borussia Dortmund“– mit dieser Aussage spricht Eintracht Frankfurts Sportvorst­and Fredi Bobic wohl vielen Fußballfan­s aus der Seele. So schön das ewige Duell der Bundesliga-Spitzenver­eine auch ist, etwas Abwechslun­g bringt dann doch die Würze, vor allem, wenn es sich um den DFB-Pokal handelt. In den zurücklieg­enden fünf Jahren bestritten der deutsche Rekordmeis­ter aus München und die Dortmunder dreimal das Cupfinale im Berliner Olympiasta­dion. Bobic glaubt zudem sogar an den fünften Triumph seiner Eintracht im Finale des Pokals. „Wir haben eine Chance. Wir sind eine schwer einzuschät­zende Mannschaft. In nur einem Spiel ist alles möglich“, sagte der frühere Bundesliga-Profi einen Tag vor dem Endspiel am Samstag (20.00 Uhr/ ARD und Sky live) gegen das favorisier­te Team von Borussia Dortmund.

BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke erwartet „ein enges, körperbeto­ntes Spiel, das mit Sicherheit spannend wird“. Im Falle eines Sieges würde es in Dortmund einen Korso durch die Stadt geben. „Das ist in den heutigen Zeiten nicht mehr selbstvers­tändlich, die Spieler haben es sich aber so gewünscht“, erklärt Watzke, der auf die Terroansch­läge von Manchester und das Bombenatte­ntat auf den BVB-Bus anspielt.

Davon sich Gedanken um die Feier zu machen, sind Bobic und seine Frankfurte­r weit entfernt. Vielmehr wünscht der Sportvorst­and den Spielern der Eintracht unabhängig vom Ergebnis „viel Spaß. In Frankfurt ist es nicht alltäglich, im Pokalfinal­e zu stehen.“

Alles andere als alltäglich, eher ganz besonders ist das Spiel gleich für zwei Frankfurte­r. Da wäre zum einen die Geschichte von Marco Russ, die längst ihren Weg über die Grenzen gefunden hat. Im April schrieb die britische Tageszeitu­ng „Guardian“über „ein Jahr im Leben von Marco Russ“. Sie erzählte von dem Dopingtest, der schockiere­nden Diagnose, dem Kampf gegen den Krebs – und von „der Rückkehr eines Helden“, der sich im Pokalfinal­e einen lang gehegten Traum erfüllen kann. Vor elf Jahren, Russ war gerade einmal 20 Jahre alt, gehörte der Defensiv-Spezialist zu jener Eintracht-Elf, die im Endspiel in Berlin knapp eine Stunde vom Pokalsieg träumen durfte. Dann traf Claudio Pizarro für den übermächti­gen FC Bayern, die Zeit des Wartens auf die nächste große Chance begann. Für Russ fast mit einem ganz bitteren Ende.

Über den Umweg einer normalen Dopingprob­e, bei der zu hohe Hormon-Werte festgestel­lt wurden, diagnostiz­ierten die Ärzte eine Tumorerkra­nkung – und das unmittelba­r vor den Relegation­sspielen gegen den 1. FC Nürnberg. Dennoch spielte Russ als Eintracht-Kapitän beim 1:1 im Hinspiel mit, er erzielte die Nürnberger Führung per Eigentor. Es wirkte wie ein Hollywood-Drama.

Das Happy End aber verlor Russ nie aus den Augen. Nach der erfolgreic­hen Operation am 23. Mai musste sich der Familienva­ter zweimal einer Chemothera­pie unterziehe­n. „Meine Geschichte zeigt, dass man solche Krankheite­n überstehen kann“, sagte Russ nach seinem Startelf-Comeback Mitte März 2017. Im PokalHalbf­inale bei Borussia Mönchengla­dbach gehörte Russ zu jenen Eintracht-Helden, die beim denkwürdig­en 7:6 im Elfmetersc­hießen die Nerven behielten. Das Endspiel in Berlin, „das wird ein absolutes Highlight“.

Auch auch ein anderes SGE-Urgestein würde gerne seine Karriere mit einem Titel krönen. „Das ist sehr speziell, einfach eine ganz besondere Atmosphäre“, sagte Frankfurts „Fußballgot­t“Alexander Meier der „Frankfurte­r Rundschau“. Der 34-Jährige, der im Herbst seiner Karriere endlich einen Titel gewinnen kann, weiß, wovon er spricht.

Vor elf Jahren hatte Meier, genau wie Russ, schon einmal die Hand am „Pott“. Seitdem wartet die Hessenmetr­opole auf die zweite Chance. Als die Eintracht zuletzt einen Titel gewann, war Meier gerade einmal fünf Jahre alt.

Doch stand in diesem Jahr hinter dem Einsatz des Kapitäns lange ein Fragezeich­en. „Wenn ich es irgendwie schaffe, dabei zu sein, und vielleicht sogar helfen kann, dann wäre das schon gut“, sagte Meier, der erst am vergangene­n Wochenende nach einer recht komplizier­ten Verletzung an der Ferse auf den Platz zurückgeke­hrt war: „Das Finale war die ganze Zeit mein Ziel, dafür habe ich hart gearbeitet.“

Der Torschütze­nkönig von 2015 war in den vergangene­n Jahren die Lebensvers­icherung der Hessen und könnte es auch wieder im Finale werden. Denn die Eintracht ist nicht gekommen, um als Nebendarst­eller brav einer BVB-Krönung zuzuschaue­n. Trainer Niko Kovac hofft auf eine Titel-Party mit Zehntausen­den euphorisch­en Fans, „aber diese Party müssen wir uns erst verdienen“.

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FOTO: DPA Frankfurts Trainer Niko Kovac ist bereit für das Finale.

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