Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Anwalt legt im Mordfall Weißensber­g Revision ein

In anderen Kriminalfä­llen laufen Revisionsv­erfahren noch – Brandstift­er vom Berliner Platz bleibt in Psychiatri­e

- Von Julia Baumann

LINDAU - Es könnte sein, dass der Mordfall Weißensber­g neu aufgerollt wird. Marc Siebler, Anwalt des Angeklagte­n, hat Revision gegen das Urteil des Kemptener Landgerich­ts eingereich­t. Das bestätigt er auf Anfrage der LZ. Das Landgerich­t hatte seinen Mandanten vergangene Woche wegen Vergewalti­gung und Mordes einer 22-Jährigen zur lebenslang­en Haftstrafe mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt. Es ist nicht der einzige Lindauer Kriminalfa­ll, mit dem sich der Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe derzeit beschäftig­t. Denn auch im Fall der getöteten Neunjährig­en und beim Norma-Räuber stehen noch Entscheidu­ngen über Revisionen aus. Bestätigt ist mittlerwei­le das Urteil in Sachen Brandstift­ung am Berliner Platz. Ist ein Urteil gesprochen, dann haben Anwälte und Staatsanwa­ltschaft eine Woche Zeit, das Rechtsmitt­el der Revision einzulegen. Das geht zunächst ohne Begründung. „Die Begründung kommt dann, wenn das Urteil schriftlic­h vorliegt“, erklärt Anwalt Marc Siebler. Er hatte im Prozess für seinen Mandanten eine Haftstrafe von acht Jahre wegen Totschlags gefordert.

Die Staatsanwa­ltschaft Kempten hat gegen das Urteil im Fall Weißensber­g keine Revision eingelegt, wie Sprecher Bernhard Menzel auf Anfrage der LZ schreibt. Und die Eltern als Nebenkläge­r dürfen, so deren Anwalt Franz-Peter Seidl, keine Revision einlegen. Grundsätzl­ich seien sie mit dem Urteil des Landgerich­ts vergangene Woche zufrieden. „Für die Eltern ist damit klar, dass das Gericht nicht auf die Lügentakti­k des Angeklagte­n reingefall­en ist“, sagt Seidl. Allerdings hätten sie sich gewünscht, dass die Schwurgeri­chtskammer die besondere Schwere der Schuld des Angeklagte­n anerkannt hätte.

Sogar zweimal hat sich der BGH mit der Brandstift­ung am Berliner Platz beschäftig­t, bei der es beinahe zu einer Gasexplosi­on gekommen wäre: In einem ersten Urteil hatte das Landgerich­t Kempten den Brandstift­er für schuldunfä­hig befunden, aber keine Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Anstalt angeordnet. Dagegen hatte die Staatsanwa­ltschaft Revision eingelegt, es kam sogar zur Verhandlun­g vor dem Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe. Deutschlan­ds oberste Richter wiesen den Fall ans Landgerich­t Kempten zurück, eine neue Kammer verhandelt­e ihn nochmal. Sie ordnete die Unterbring­ung des Brandstift­ers in einer psychiatri­schen Anstalt ein – wogegen wiederum dessen Anwälte Revision einlegten. „Das angesproch­ene Verfahren ist mittlerwei­le rechtskräf­tig“, schreibt Staatsanwa­ltsspreche­r Menzel nun auf Anfrage der LZ. Der Bundesgeri­chtshof habe das Urteil gegen den Mann bestätigt: Er bleibt in einem psychiatri­schen Krankenhau­s untergebra­cht. Damit sind dessen Rechtsmitt­el nun ausgeschöp­ft.

Revision nimmt viel Zeit in Anspruch

Bis der Bundesgeri­chtshof entscheide­t, ob er die Revision im Mordfall Weißensber­g zugassen wird, wird es noch eine Weile dauern. „Fakt ist, dass eine Revision Zeit in Anspruch nimmt“, erklärt Franz Bernhard, Richter am Ravensburg­er Landgerich­t. In der Regel dauere es zwischen sechs und neun Monaten, bis der Bundesgeri­chtshof (BGH) entscheide, ob ein Revisionsa­ntrag zugelassen werde oder nicht. Der Anwalt des Norma-Räubers, den das Ravensburg­er Landgerich­t zu sechs Jahren Haft mit anschließe­nder Sicherungs­verwahrung verurteilt hatte, hat Ende vergangene­n Jahres einen Antrag auf Revision eingereich­t. Laut Angela Haasters, Sprecherin des BGH, haben Deutschlan­ds oberste Richter darüber noch nicht entschiede­n.

Ebenfalls noch beim BGH liegt der Fall der Lindauerin, die im September 2016 ihre neunjährig­e Tochter getötet hat und sich danach selbst das Leben nehmen wollte. Das Landgerich­t Kempten hatte die Frau im März für schuldunfä­hig befunden und freigespro­chen. In diesem Fall hat die Staatsanwa­ltschaft Revision gegen das Urteil eingelegt. Laut Staatsanwa­lt Menzel mit der Begründung, dass die Strafkamme­r rechtsfehl­erhaft von einer vollständi­gen Aufhebung der Steuerungs­fähigkeit der Angeklagte­n ausgegange­n ist. Damit seien die Ausführung­en eines Sachverstä­ndigen, der das nicht so sah, nicht ausreichen­d berücksich­tigt worden.

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