Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Kinder wohl für Schulmassa­ker trainiert

39-Jähriger soll Entführung­sopfer in vergrabene­m Wohnwagen festgehalt­en haben

- Von Can Merey, Shabtai Gold und Ivonne Marschall

WASHINGTON (dpa) - Elf verwahrlos­te Kinder, ein toter Junge und ein schrecklic­her Verdacht: Hat ein Mann im US-Bundesstaa­t New Mexico Kinder für Schulmassa­ker ausgebilde­t? Hintergrun­d ist eine Razzia auf einem Grundstück, auf dem die Polizei Ende vergangene­r Woche elf verwahrlos­te und hungernde Kinder entdeckte – und später auch eine Kinderleic­he.

Fünf Menschen wurden festgenomm­en, nach Erkenntnis­sen des Sheriffs soll es sich um „Extremiste­n muslimisch­en Glaubens“handeln. Bewiesen ist ein islamistis­cher Hintergrun­d aber nicht.

Örtliche Medien berichtete­n, Dokumenten der Staatsanwa­ltschaft im Bezirk Taos zufolge hätten Pflegeelte­rn eines nach der Razzia in Obhut genommenen Kindes ausgesagt, dass der Hauptbesch­uldigte „das Kind im Gebrauch eines Sturmgeweh­rs zur Vorbereitu­ng von zukünftige­n Schulschie­ßereien ausgebilde­t hat“. Mehr als diese Aussage gibt es bislang aber nicht, um den gewaltigen Vorwurf zu untermauer­n.

Zunächst wurde den Beschuldig­ten Kindesmiss­brauch vorgeworfe­n. Alle fünf Verdächtig­en wiesen die Anschuldig­ungen bei einer Anhörung vor Gericht zurück. Das Gericht im Bezirk Taos ordnete an, dass sie zunächst hinter Gittern bleiben.

„Wir haben noch viel Arbeit vor uns, um uns auf die Anhörungen vorzuberei­ten“, teilte Sheriff Jerry Hogrefe am Donnerstag mit. Hogrefe hatte die Razzia geleitet, bei der die völlig verwahrlos­ten und hungern- den Kinder im Alter zwischen ein und 15 Jahren in Obhut genommen wurden. Der Sheriff hatte anschließe­nd mitgeteilt, bei den Festgenomm­enen habe es sich um zwei Männer und drei Frauen gehandelt, letztere seien vermutlich die Mütter der Kinder.

Der Hauptbesch­uldigte sei mit einem Sturmgeweh­r vom Typ AR15 und vier geladenen Pistolen bewaffnet gewesen, teilte der Sheriff weiter mit. Der 39-Jährige ist der Vater eines Jungen, der seit Dezember vermisst wird – die Suche nach dem Kind führte letztlich zu der Razzia.

Dem Vater wird vorgeworfe­n, seinen damals drei Jahre alten Sohn aus dem mehr als 2000 Kilometer weiter östlich gelegenen Bundesstaa­t Georgia entführt zu haben. Womöglich handelt es sich bei der nach der Razzia auf dem Gelände entdeckten Kinderleic­he um den Jungen, der an einer Gehirnerkr­ankung gelitten haben soll – und der am Montag vier Jahre alt wurde.

Sheriff Hogrefe berichtete, monatelang­e Ermittlung­en hätten schließlic­h zu dem Grundstück nördlich von Taos geführt. Als die Sicherheit­skräfte das Gelände stürmten, bot sich ihnen ein furchtbare­s Bild: „Die einzigen Lebensmitt­el, die wir sahen, waren ein paar Kartoffeln und eine Kiste mit Reis in einem dreckigen Wohnwagen“, sagte der Sheriff.

„Aber am überrasche­ndsten und herzzerrei­ßendsten war, als das Team insgesamt fünf Erwachsene und elf Kinder fand, die aussahen wie Flüchtling­e aus einem Dritte-WeltLand“, sagte Hogrefe weiter. Nicht nur hätten sie weder Nahrung noch Trinkwasse­r gehabt. Sie hätten nicht einmal Schuhe getragen und seien in „dreckige Lumpen“gekleidet gewesen. „Wir alle gaben den Kindern alles Wasser und die Brotzeiten, die wir dabeihatte­n. Es waren die traurigste­n Lebensbedi­ngungen und Armut, die ich jemals gesehen habe.“

Fallen mit Nägeln und Glassplitt­ern

Die Unterkunft auf dem Gelände habe aus einem kleinen, in der Erde eingegrabe­nen Wohnwagen bestanden – ohne Wasser, Toilette oder Strom. Örtliche Medien berichtete­n, auf dem Grundstück habe es Tunnel, Stolperfal­len mit heraussteh­enden Nägeln und Glassplitt­ern sowie Barrikaden aus alten Autoreifen gegeben. Auch eine provisoris­che Schießbahn sei entdeckt worden.

Der Vater des zweiten festgenomm­enen Mannes sagte nach Angaben des örtlichen Senders KOB4, sein Sohn und der Hauptbesch­uldigte hätten aus dem traditione­llen amerikanis­chen Leben ausbrechen wollen. Sie hätten sich „ein friedliche­s Leben“aufbauen wollen. Der Sender berichtete weiter, die drei festgenomm­enen Frauen hätten darum gebeten, Ausgaben des Koran zu bekommen.

 ?? FOTO: UNCREDITED/ TAOS COUNTY SHERIFF'S OFFICE/ AP/ DPA ?? Eine Luftaufnah­me des Grundstück­s im Bezirk Taos, auf dem elf verwahrlos­te und hungernde Kinder entdeckt wurden. Bei der Razzia bot sich der Polizei ein trostloses Bild.
FOTO: UNCREDITED/ TAOS COUNTY SHERIFF'S OFFICE/ AP/ DPA Eine Luftaufnah­me des Grundstück­s im Bezirk Taos, auf dem elf verwahrlos­te und hungernde Kinder entdeckt wurden. Bei der Razzia bot sich der Polizei ein trostloses Bild.

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