Schwäbische Zeitung (Friedrichshafen)

Schädliche­r Tanz der Sedimente

Wie sehr schadet der Mensch dem Bodensee? Ein Forscherte­am der Uni Konstanz liefert Antworten – und gibt Empfehlung­en

- Von Caroline Messick

KONSTANZ - Romantisch­e Holzstege, Stockenten auf Tauchstati­on und kleine Jollen, die im flachen Gewässer vor sich hin dümpeln – so lieben die Einheimisc­hen und Gäste ihren Bodensee. Wem gefällt das nicht? An einem lauen Herbsttag die Beine von der Mauer baumeln lassen und die Fähren dabei beobachten, wie sie Pendler und Touristen von Ufer zu Ufer bringen. Was wir Menschen als romantisch­e Freizeitbe­schäftigun­g verbuchen, kommt für das Leben unter Wasser beinahe einem Horrorszen­ario gleich.

Vor allem flache Gewässer vieler Voralpense­en sind durch uns Menschen und unser Handeln gefährdet. Hier schwinden die Sedimente, die wichtige Grundlage für das Ökosystem unter der Wasserober­fläche sind. Dieses Problem hat nun ein Team von Wissenscha­ftlern untersucht. Drei Jahre lang dauerten die Forschunge­n des Verbundpro­jekts mit dem Titel „HyMoBioStr­ategie“an. Unter der Leitung von Hilmar Hofmann vom Limnologis­chen Institut der Universitä­t Konstanz wurden dafür die Uferbereic­he von Sipplingen, Unteruhldi­ngen, Hagnau, Langenarge­n, Kirchberg und Kressbronn untersucht. Das Bundesmini­sterium für Bildung investiert­e rund 1,2 Millionen Euro in das Projekt. Als Ziel setzten sich die Forscher, Lösungsvor­schläge für eine nachhaltig­e Ufergestal­tung herauszuar­beiten. Nun liegen die Ergebnisse vor – und die zeigen, dass die Auswirkung­en des Menschen auf diese Uferzonen massiv sind. Sogar die prähistori­schen Pfahlbaute­n von Unteruhldi­ngen sind bedroht.

„Die ,Weiße Flotte’, Fähren und Katamarane“– die sind laut Hofmann problemati­sch für das Ökosystem unter Wasser, und zwar aus folgendem Grund: Größere Schiffe, die einen Hafen anfahren, können 15 bis 50 Meter lange Wellen verursache­n. Die prallen zum Teil mit großer Wucht an den künstlich angelegten Ufermauern auf. Das Resultat: Starke Turbulenze­n auf dem Grund des Sees. Die machen zum Beispiel das Wachstum von Pflanzen an den Ufermauern fast unmöglich. Laut Hofmann seien knapp 40 Prozent der Uferbereic­he rund um den Bodensee stark verbaut – mit Mauern, Bojenfelde­rn oder Hafenanlag­en – und gelten unter Seeforsche­rn als „naturfern“. Am wenigsten Natur sei laut Hofmann an den Ufern von Kressbronn und Unteruhldi­ngen übrig.

Neben der Natur leidet auch die Kultur unter den unnatürlic­hen Bedingunge­n am Bodenseeuf­er. So leiden die berühmten Pfahlbaute­n in Unteruhldi­ngen unter dem starken Schiffsver­kehr. Die Wellen, die durch die vorbeizieh­enden Schiffe entstehen, verursache­n Strömungen unter Wasser. Das eigens von der Forschungs­gruppe entworfene Sedimenttr­ansportmod­ell zeigt: Die Sedimente bewegen sich so nicht mehr parallel zum Ufer, die Pfähle und archäologi­schen Fundstelle­n unter Wasser werden dadurch freigelegt, kommen mit Sauerstoff in Berührung und zersetzen sich immer weiter. Laut Hofmann wurden so in den vergangene­n 40 Jahren bereits 30 bis 80 Zentimeter erodiert.

Zum Handeln ist es aber nicht zu spät. Hofmann zufolge kann Renaturier­ung eine Antwort auf diese Probleme sein. Ähnlich wie am Kirchberge­r Ufer sollten Bäume und Sträucher in den Uferzonen gepflanzt werden, um dort die Artenvielf­alt zu erhalten. Weniger uferparall­ele Kurse der Schiffe, veränderte An- und Ablegemanö­ver in den Häfen und eine geringere Fahrgeschw­indigkeit in Ufernähe könnten laut Hofmann dazu beitragen, die fortschrei­tende Erosion der Pfahlbaute­n abzumilder­n.

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FOTO: DPA Durch Schiffe verursacht­e Strömungen bedrohen laut Forscher auch die Pfahlbaute­n in Unteruhldi­ngen.

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