Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Spielberg plus x
Mercedes-Talent Pascal Wehrlein will für Sauber „mehr als einen WM-Punkt“einfahren
Das „Grüezi●mitenand“im Saisonstart-Clip seines neuen Arbeitgebers kommt Pascal Wehrlein mühelos über die Lippen. Wenn man in Sigmaringen geboren ist und in Worndorf im Landkreis Tuttlingen lebt, sind die Dialekthürden nicht wirklich hoch, die ein Formel-1Cockpit beim Sauber F1 Team mit sich bringt. Hinwil im Zürcher Oberland ist Heimat des Rennstalls, für den der 22-Jährige 2017 in seinen Grands Prix Nummer 22 bis 41 Gas geben wird. 111 Straßenkilometer Entfernung nur – ein Fortschritt? Viele haben sich das gefragt, als Pascal Wehrlein Mitte Januar als zweiter Sauber-Chauffeur neben dem Schweden Marcus Ericsson vorgestellt wurde. Seine Antwort: „Sauber hat mächtig Potenzial, mittelfristig wieder richtig gut zu werden. Ich will das Maximale aus dieser Saison herausholen.“
Wollen, das weiß Pascal Wehrlein, heißt in seinem Fall auch müssen. Mercedes – dort liegen Pascal Wehrleins motorsportliche Wurzeln, dort vermuten viele seine Zukunft – wird weiter genau beäugen, wie sich der DTM-Champion von 2015 schlägt. Während seines Formel-1-Debütjahrs hat er das respektabel, ja: vielversprechend, getan. In einem Manor MRT 05, dem (vor allem aerodynamisch) schwächsten Boliden im Feld. An Abtrieb mangelte es. An feinen Wehrlein-Vorstellungen nicht. Denkwürdig bleibt die in Spielberg, wo der zehnte Platz Startposition zwölf mit einem WM-Punkt veredelte.
Dennoch fand sich über Winter kein freies Lenkrad bei Force India und Williams, den Teams, die Mercedes mit Hybridmotoren beliefert. Formel 1 ist auch Politik; allzu oft geht es um Geld, um Begehrlichkeiten von Sponsoren. Und manchmal geht es in der Formel 1 ganz schnell: Manor Racing ist mittlerweile finanziell kollabiert, Weltmeister Nico Rosberg ist Fußgänger aus freien Stücken. Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hatte seinen bei Manor geparkten Simulator-, Test- und Ersatzpiloten durchaus im Blick bei der Nachfolgeregelung. Doch der Wiener im Dienst des Sterns hat auch Prinzipien. Eines geht so: „Unser Plan ist es, unsere Junioren über zwei oder drei Jahre auszubilden, damit sie die Erfahrung und auch die Fehlerquote haben, die wir für unseren ,Silberpfeil‘ brauchen.“Pascal Wehrlein sei „schnell und brillant, aber noch in seiner Entwicklungsphase. Und ich möchte keine Talente verbrennen, an die ich glaube.“
Also Sauber. Toto Wolff verhandelte. Erfolgreich. Die Eidgenossen, 2016 Zehnte der Konstrukteursweltmeisterschaft, sind seit der Übernahme durch die schwedischen Industriellenfamilie Rausing vergangenen Juli ihre gröbsten – wirtschaftlichen – Sorgen los. Teamchefin Monisha Kaltenborn verfügt nun über ein Saisonbudget von geschätzt 130 Millionen Euro; 320 Mitarbeiter ließen in Hinwil den C36 entstehen. Angetrieben wird der blau-weiß-golden gehaltene Wagen durch Ferraris 2016er-Motor. Nicht zwingend ein Nachteil, sagt Technikdirektor Jörg Zander: „Zu Saisonbeginn könnten wir von höherer Standfestigkeit profitieren.“ Noch immerhin 192 Testrunden Und womöglich davon, dass Pascal Wehrlein bei den zweiten BarcelonaTests vor zwei Wochen doch noch immerhin 192 Runden zu Asphalt brachte. Barcelona I hatte er verpasst – wegen seines Unfalls beim „Race of Champions“in Miami, wegen einer Wirbelstauchung im Nacken. Kein optimaler Beginn – umso erfreulicher kurz vor Melbourne (So., 7 Uhr; RTL) das Fazit der Vorbereitung. Erstens: „Wie ich bei Sauber aufgenommen wurde, war schon speziell.“Zweitens: „Ich fühle mich immer wohler im Auto.“Drittens: „Ich bin sicher, dass wir mehr als einen WM-Punkt erobern.“
Spielberg plus x also. Toto Wolff wird hinschauen und mitzählen. Pascal Wehrlein muss (und will) „das Maximale aus dieser Saison herausholen“. Valtteri Bottas hat einen Jahresvertrag bei Mercedes, Lewis Hamiltons Kontrakt läuft Ende 2018 aus. Zwei Chancen? Vielleicht. Klar ist: „Dann muss ich bereit sein.“