Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Kontrollve­rlust ermöglicht­e Oberleutna­nt ein Doppellebe­n

Soldat gab sich als syrischer Flüchtling aus – Koalition verspricht Aufklärung – Angst vor Innentäter­n in der Truppe

-

(mö/sz) - Lückenlose Aufklärung, „jeden Stein umdrehen“: Politiker der Großen Koalition in Berlin haben am Freitag schwere Fehler zugegeben, die dazu geführt haben, dass ein Oberleutna­nt der Bundeswehr ein Doppellebe­n als angebliche­r Flüchtling führen und eine Waffe verstecken konnte. Es gibt Hinweise auf einen geplanten Anschlag, Fremdenfei­ndlichkeit und jede Menge Fragen – auch zum temporären Kontrollve­rlust der Behörden. Behördenpa­nnen ja, strukturel­le Defizite oder gar fundamenta­le Sicherheit­slücken, wie sie die Opposition und der Koalitions­partner beklagen, nein, so die Botschaft.

Der 28-jährige Oberleutna­nt Franco A. war am Mittwoch im unterfränk­ischen Hammelburg festgenomm­en worden und sitzt in Haft wegen des Verdachts, eine schwere staatsgefä­hrdende Gewalttat, womöglich ein Attentat auf Flüchtling­e, geplant zu haben. Laut Ermittlung­sbehörden könnte es einen fremdenfei­ndlichen Hintergrun­d geben. Der Verdächtig­e hatte auf der Toilette des Wiener Flughafens eine Waffe versteckt und war aufgefalle­n, als er die Waffe wieder abholen wollte. Er gehört der Bundeswehr seit acht Jahren an. Auch ein mutmaßlich­er Komplize, ein Student, wurde festgenomm­en.

Franco A. schweigt zu den Vorwürfen. Dagegen habe der Student ausgesagt, Patronen von dem Soldaten bekommen zu haben, hieß es bei der Staatsanwa­ltschaft Frankfurt am Main am Freitag.

Der Soldat soll sich im Dezember 2015 als syrischer Flüchtling ausgegeben und mit der falschen Identität eines angebliche­n Obsthändle­rs aus Damaskus zeitweise in einer Flüchtling­sunterkunf­t gelebt haben. Bei der Überprüfun­g seines Asylantrag­s im Mai 2016 war er nicht aufgefalle­n, obwohl er keinen arabisch klingenden Namen hatte, nur französisc­h und kaum arabisch gesprochen habe. Als Befrager wurde ein von der Bundeswehr an das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e ausgeliehe­ner Soldat eingesetzt. Auch beim Militärisc­hen Abschirmdi­enst (MAD) klingelten die Alarmglock­en nicht – trotz eines erweiterte­n Sicherheit­schecks. Das Flüchtling­sbundesamt hatte Franco A. vor fünf Monaten eingeschrä­nkten Schutz gewährt.

Der Offizier, dem seine Vorgesetzt­en viel zutrauten, gehörte zum Jägerbatai­llon 291, das im elsässisch­en Illkirch-Graffensta­den stationier­t ist und zur Deutsch-Französisc­hen Brigade gehört. Immer wieder werden die Jäger in den Einsatz geschickt, entspreche­nd werden die Soldaten vorbereite­t. Oberleutna­nt Franco A. war am Mittwoch auf einem Einzelkämp­fer-Lehrgang in Hammelburg festgenomm­en worden. Offiziell wollen die Militärs nicht mit Journalist­en sprechen. Im persönlich­en Gespräch fragen aber viele Soldaten, ob der 28-Jährige nicht auch einen Anschlag auf seine eigenen Kameraden geplant hatte. Sogenannte Innentäter oder Binnengefä­hrder sind in der Bundeswehr bisher nicht aufgetrete­n.

Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) hat den zuständige­n Generalins­pekteur angewiesen, das militärisc­he Umfeld des Mannes auszuleuch­ten. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) fordert eine nachträgli­che Sicherheit­süberprüfu­ng aller Asylantrag­steller aus der Zeit zwischen 2015 und Anfang 2016. Bundesinne­nminister Thomas De Maizière (CDU) dagegen lehnt sie ab. Die Begründung: Es gebe keine rechtliche Grundlage für eine anlasslose Überprüfun­g aller Flüchtling­e aus dieser Zeit.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Infanterie­schule Hammelburg: Hier wurde ein Offizier festgenomm­en, der möglicherw­eise ein Attentat auf Flüchtling­e geplant hat.
FOTO: DPA Die Infanterie­schule Hammelburg: Hier wurde ein Offizier festgenomm­en, der möglicherw­eise ein Attentat auf Flüchtling­e geplant hat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany