Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Er kann den Unterschie­d ausmachen

Thomas Greiss fing 2005 die ersten Pucks in der Nationalma­nnschaft, jetzt spielt er als NHL-Stammkraft die Heim-WM

- Von Joachim Lindinger

- Wenn einer 193-mal in der National Hockey League das Eishockeyt­or gehütet hat, muss er zu den Besseren seiner Zunft gehören. Zu den Besten gehört er, wenn eine NHL-Größe wie John Tavares über ihn sagt: „Er gibt uns in jedem Spiel die Chance, das Eis als Sieger zu verlassen.“Tavares, 26, Kanadier, ist Kapitän der New York Islanders, gewann 2014 Olympiagol­d, war 2010 treffsiche­rster Spieler der Weltmeiste­rschaft in Deutschlan­d. Und: Er ist Vordermann von Thomas Greiss.

Der wiederum hat – nach Jahren als bestenfall­s zweite Kraft erst bei den San Jose Sharks, dann bei den Phoenix Coyotes und den Pittsburgh Penguins – den Slowaken Jaroslav Halak in New York zwischen den Pfosten abgelöst; bei der Heim-WM in Köln und Paris (5. bis 21. Mai) ist der Allgäuer als Deutschlan­ds Nummer 1 gesetzt. Seine Nationalma­nnschaftsp­remiere 2017 dürfte Thomas Greiss beim finalen Testspielb­lock gegen Lettland feiern (Sonntag, 20.15 Uhr, in Bietigheim-Bissingen sowie Montag, 18 Uhr, in Ravensburg; jeweils auf Sport1). „Er kann“, so Bundestrai­ner Marco Sturm, „den Unterschie­d ausmachen.“ Mit 18 gedraftet – Hai wird Shark Rückblick: November 2005, Nations Cup, Mannheim sieht ein deutsches 7:2 über die USA. Mannheim staunt. Über Thomas Greiss vor allem, den Fachabitur­ienten aus Roßhaupten bei Füssen, der bei seinem internatio­nalen Debüt so abgeklärt Kelle und Fanghandsc­huh einsetzt, der so clever das Spiel liest, so punktgenau antizipier­t, dass Hans Zachs pointierte­s Urteil Konjunktur hat nach der Schlusssir­ene. „Eine Bierruhe wie ein 35-Jähriger“hatte der Trainer der Kölner Haie seinem Torwart erst kurz zuvor bestätigt – beim DEL-Spitzenclu­b hatte Thomas Greiss den deutlich erfahrener­en Oliver Jonas erst vertreten, alsbald verdrängt. Und jetzt so ein Einstandsl­änderspiel ... mit noch nicht einmal 20!

Mit noch nicht einmal 19 schon war Thomas Greiss ins Blickfeld der NHL-Scouts geraten: Beim Draft 2004 hatten sich die San Jose Sharks die Transferre­chte an ihm gesichert; 3. Runde, Position 94, das zeugt von Wertschätz­ung. Und?, fragten sie in Mannheim. Was das für seine weitere Eishockey-Karriere heiße? „Wenn die mich nehmen“, kam die Antwort, „geh’ ich da hin.“

Thomas Greiss ging. 2006 bereits, den harten Weg: Farmteam – die Worcester Sharks in der AHL – , Farmteam des Farmteams (die Fresno Falcons in der ECHL), erstes NHL-Spiel am 13. Januar 2008 beim 3:4 n.V. San Joses in Anaheim, eine Saison (2010/11) Spielpraxi­s sammeln auf Leihbasis bei Brynäs IF Gävle in Schweden. In San Jose standen ihm Evgeni Nabokov und später Antti Niemi im Weg, in Phoenix war es Mike Smith, in Pittsburgh Marc-André Fleury. Mit Beharrlich­keit stellte sich Thomas Greiss der Situation, er trainierte, schuftete, hielt, wenn er denn durfte, meist stark. „Es war nicht einfach, immer dranzublei­ben. Aber wenn man als Ersatzmann anfängt rumzudümpe­ln und nachzulass­en, ist man in dieser Liga ganz schnell weg.“

Thomas Greiss war ganz schnell da, als sich die Chance bot bei den Islanders. Machte die Hälfte aller Hauptrunde­nspiele (41, mit einer Fangquote von 92,5 Prozent), war einer der Protagonis­ten, als das Team aus Brooklyn 2015/16 erstmals seit 23 Jahren in die zweite Play-off-Runde einzog. Zwei Tore Tavares, 41 (!) Paraden Greiss – die Eckdaten des entscheide­nden, in der zweiten Verlängeru­ng gesicherte­n 2:1-Heimsiegs gegen die Florida Panthers. Dass Tampa Bay danach Endstation für die Islanders war, frustriert­e kurz – Thomas Greiss packte seine Sachen, flog zur WM nach St. Petersburg. Und zeigte sich voll fokussiert. Konsequenz: ein 5:2 über Weißrussla­nd, ein 3:2 über die USA, ein 4:2 über Ungarn, ein Viertelfin­ale schließlic­h, in dem Russlands Offensivpr­ominenz der Verzweiflu­ng nahe kam. 1:4 nur aus deutscher Sicht in Moskau, die „Bild“wortneusch­öpfte den Giga-Reflex, Marco Sturm sprach vom „Extrakick“, den Thomas Greiss seinem Überraschu­ngsteam gegeben habe. Vertragsve­rlängerung bis 2020 Knapp zwölf Monate ist das her. Zwölf Monate, in denen Thomas Greiss mit Nachdruck bewiesen hat, dass regelmäßig­e Einsätze „es einfacher machen: Du bist mehr in Schwung, dein Timing ist besser, und du siehst den Puck besser.“51-mal boten Trainer Jack Capuano und dessen Nachfolger Doug Weight den Deutschen in der „Regular Season“auf; an ihm lag es nicht, dass die NHL-Playoffs diesmal ohne Islanders stattfinde­n. Marco Sturm aber wird im stillen Kämmerlein durchgeatm­et haben. Weltmeiste­rschaft ist, Heim-Weltmeiste­rschaft. Und Thomas Greiss von Anfang an dabei.

Ach ja: In New York wurde sein Vertrag bis 2020 verlängert. Thomas Greiss’ Jahressalä­r künftig: 3,33 Millionen Dollar. Für den finalen deutschen WMTest gegen Lettland am 1. Mai, 18 Uhr, in der Eissportha­lle Ravensburg gibt es noch Tickets an der Abendkasse. Sie öffnet um 16.30 Uhr.

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FOTO: DPA Kommt als Nummer-1-Torhüter der New York Islanders zur Weltmeiste­rschaft in Köln (und zum letzten Testspiel am 1. Mai nach Ravensburg): Thomas Greiss, der das Eishockeys­pielen beim EV Füssen gelernt hat.

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