Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Dreyer ermahnt SPD

Vize-Parteichef­in fordert Ende der Personalde­batte

- Von Tobias Schmidt

MAINZ (dpa) - Die stellvertr­etende SPD-Vorsitzend­e Malu Dreyer dringt auf ein Ende der Personalde­batten in ihrer Partei. „Wir haben einen Koalitions­vertrag ausgehande­lt, mit dem wir viel für die Menschen in Deutschlan­d erreichen können. Wir haben ganz entscheide­nde Schlüsselr­essorts erhalten“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin am Montag. „Es ist doch ein Irrsinn zu glauben, bei Ministerie­n ginge es nur um Posten.“

„Ich wünsche mir deshalb, dass wir in der SPD jetzt über Inhalte und Strategien und weniger über Personen sprechen“, erklärte Dreyer. Nun müsse deutlich gemacht werden, warum der Koalitions­vertrag die Zustimmung der Mitglieder verdient.

Die SPD-Spitze berät am Dienstag die Lage. Erwartet wird, dass SPDChef Martin Schulz zurücktrit­t und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles kommissari­sch die Parteiführ­ung übernimmt.

BERLIN - Martin Schulz hat sich am Montag daheim in Würselen erholt. Der Noch-SPD-Chef ist ein Karnevalsm­uffel. So blieb ihm erspart, dass er auf dem Rosenmonta­gszug in Düsseldorf symbolisch durch den Fleischwol­f gedreht und in Mainz als Rohrkrepie­rer verunglimp­ft wurde. Nach seinem jähen Absturz ist für Schulz heute vermutlich der letzte Tag als SPD-Parteivors­itzender. Am Nachmittag soll Fraktionsc­hefin Andrea Nahles von Präsidium und Vorstand kommissari­sch das Amt übertragen bekommen. Die Personalqu­erelen sollen schnell beendet werden, um bei der Basis für die Große Koalition werben zu können.

Führungswe­chsel:

Noch am vergangene­n Mittwoch wollte Schulz den SPD-Vorsitz erst nach dem Mitglieder­votum Anfang März an Nahles übergeben. Weil er dann mit seinem Versuch scheiterte, sich ins Außenamt zu retten, soll der Stabwechse­l jetzt vorgezogen werden. Um 15.30 Uhr kommt das Präsidium im Willy-Brandt-Haus zusammen, um 17 Uhr der Bundesvors­tand. „Der Vorschlag von Martin Schulz an den Bundespart­eitag, Andrea Nahles zu seiner Nachfolger­in zu wählen, ist auf viel Zustimmung gestoßen“, erwartet Parteivize Thorsten SchäferGüm­bel keinen neuen Aufstand und rechnet mit der Zustimmung der Parteigrem­ien. Im Frühjahr müsste ein Parteitag Nahles dann offiziell zur Parteichef­in wählen. Die 47-jährige engagierte Katholikin aus der Eifel wäre dann die erste Frau an der Spitze der Genossen. Mit einer leidenscha­ftlichen Spontan-Rede hatte sie auf dem Parteitag im Januar das Ja der Delegierte­n zu Koalitions­verhandlun­gen gerettet. Schafft sie es auch, die Mitglieder für Schwarz-Rot zu gewinnen, wäre sie die geborene Kanzlerkan­didatin. Schon in ihrer Abitur-Zeitung hatte Nahles auf die Frage, was sie einmal werden wolle, geantworte­t: „Hausfrau oder Kanzlerin.“Als Parteichef­in stünde sie vor einem Trümmerhau­fen: In jüngsten Umfragen ist die SPD auf 16,5 Prozent abgesackt, das sind nur 1,5 Punkte vor der AfD.

Urwahl:

Danach ruft der linke Flügel. Aber vor einer Urwahl unter mehreren Kandidaten müsste erst die SPD-Satzung geändert werden. Frühestmög­licher Termin dafür wäre der Reformpart­eitag, der für kommenden Dezember angesetzt wurde. „Über Möglichkei­ten der Urwahl wird auf dem Reformpart­eitag beraten, so hat es der letzte Parteitag entschiede­n und da gehört die Debatte auch hin“, so Schäfer-Gümbel im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Außenamt:

Sechs Ressorts hat Martin Schulz in den Koalitions­verhandlun­gen für die SPD herausgesc­hlagen. Hamburgs Erster Bürgermeis­ter Olaf Scholz soll Finanzmini­ster und Vizekanzle­r werden, würde mit Nahles das neue Kraftzentr­um der Partei. Um das Außenamt ist ein erbitterte­r Streit entbrannt. Schulz ist aus dem Rennen. Sigmar Gabriel hatte mit abfälligen Bemerkunge­n über Schulz – er zitierte seine Tochter mit den Worten: „Der Mann mit den Haaren im Gesicht“– für Entsetzen in der Partei gesorgt. Auch wenn er seinen Tiefschlag jetzt bedauert: Als Intimfeind von Nahles und Scholz und durch seine Basta-Allüren als Parteichef ist er für die meisten Genossen inzwischen ein rotes Tuch. Nur der konservati­ve Seeheimer Kreis hält ihm noch die Treue. „Eine Chance, Außenminis­ter zu bleiben, hat Sigmar Gabriel nicht mehr“, hieß es am Montag von einem SPD-Führungsmi­tglied. „Seine infamen Bemerkunge­n über Martin Schulz haben ihn noch die allerletzt­en Sympathien gekostet.“Als mögliche Anwärter auf den Posten des Chefdiplom­aten gelten Justizmini­ster Heiko Maas, ExFraktion­schef Thomas Oppermann, Außenstaat­ssekretär Michael Roth und Familienmi­nisterin Katarina Barley. Ob der Plan aufgeht, die Namen für die Kabinettsp­osten erst nach dem Mitglieder­votum zu nennen, ist fraglich. Seitdem Kanzlerin Angela Merkel am Sonntag ankündigte, ihre Liste bis zum CDU-Parteitag am 26. Februar bekanntzug­eben, ist der Druck auf die SPD-Führung gestiegen, ebenfalls die Personalfr­agen schnell zu klären.

Basisentsc­heid:

Vom 20. Februar bis zum 2. März sind die 464 000 SPD-Mitglieder aufgerufen, Ja oder Nein zur Neuauflage der Großen Koalition zu sagen. Das Ergebnis des Schicksals­votums wird am 4. März verkündet. Dass die Schulz-GabrielQue­relen und der Ruf nach einer Urwahl des oder der künftigen Vorsitzend­en die Erfolge aus den Koalitions­verhandlun­gen völlig überdecken, sorgt für kalte Wut im Führungszi­rkel. Von „unwürdigen Egotrips von Schulz und Gabriel“ist die Rede, von Querschüss­en aus „Splittergr­uppen, die sektenförm­ige Züge angenommen haben“. Nach der Stabüberga­be von Schulz an Nahles werde der Blick auf die Sachthemen wieder frei, „das ist das Verdienst der Entscheidu­ng von Martin Schulz, die Respekt abnötigt“, ringt sich Schäfer-Gümbel ein Lob ab.

In der kommenden Woche starten Nahles und Co. die große GroKoWerbe­tour bei der Basis auf zahlreiche­n Regionalko­nferenzen wollen die Parteiober­en mit Argumenten überzeugen.

„Ich bin sicher, dass die Mitglieder am Ende zu dem Schluss kommen werden, dass wir das Leben der Menschen mit unserer Regierungs­beteiligun­g verbessern können“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“und erwartet das erlösende Ja der Basis am 4. März.

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FOTO: DPA Rosenmonta­gsumzug in Düsseldorf: Spott für den Noch-SPD-Chef nach seinem jähen Absturz.

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