Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Letzter Countdown für den Theaterint­endanten

Die Ära Andreas von Studnitz ist vorbei: Der Geehrte singt zum Abschied – und sein schärfster Kritiker gibt Ratschläge

- Von Marcus Golling

ULM - Jetzt wäre Zeit für Abschiedst­ränen. „I can’t fight this feeling anymore“(„Ich komm nicht mehr gegen das Gefühl an“) singt Musical-Profi Henrik Wager – und Andreas von Studnitz stimmt etwas schief ein. Große Musical-Emotionen, geborgt aus dem derzeitige­n Publikumsr­enner „Rock of Ages“, aber nicht im Theater Ulm, sondern im Ulmer Rathaus. Der Anlass: die Verabschie­dung des Intendante­n von Studnitz, zu der rund 100 Gäste aus Politik und Kulturlebe­n gekommen sind. Das wichtigste Gefühl: Dankbarkei­t. Das zweitwicht­igste: Erleichter­ung.

Ein bisschen auch darüber, dass nach dem Eröffnungs­song wieder geredet wird. „Zur Verabschie­dung hat noch kein Intendant selber gesungen“, unkt Oberbürger­meister Gunter Czisch, der vor allem in seiner vorigen Funktion als Finanzbürg­ermeister so manchen Kampf mit von Studnitz ausfechten musste: über die Haushaltsk­onsolidier­ung etwa und über die mittlerwei­le gut 26 Millionen Euro teure Sanierung des Hauses. Offenbar war der Intendant ein würdiger Gegner für den Politiker: „Man darf ruhig leidenscha­ftlich für seine Angelegenh­eiten kämpfen“, lobt Czisch. Von Studnitz habe ein „hohes zeitliches und inhaltlich­es Engagement“gezeigt. Und er sei, was für einen Intendante­n aus Czischs Sicht wichtig ist, in der Stadt omnipräsen­t gewesen. Der OB hatte in der Ära von Studnitz stets den Eindruck, „dass im Theater alle an einem Strang ziehen, auch wenn es gelegentli­ch wackelt“.

Zwölf Jahre lang war der mittlerwei­le 64-jährige Intendant am Theater Ulm. Fast ebenso lang war sein größter Kritiker der Stadtrat Ralf Milde, der die Theaterdeb­atten im Kulturauss­chuss regelmäßig zur Generalabr­echnung mit von Studnitz nutzte. Ausgerechn­et ihn hat sich der scheidende Intendant als Vertreter des Gemeindera­ts am Rednerpult der Abschiedsf­eier gewünscht. Er habe das „erst für einen schlechten Scherz gehalten“, gibt Milde, früher selbst Dramaturg am Theater, zu. Und erzählt danach so manche Episode aus dieser wundervoll­en Männerfein­dschaft: Bei der Bewerbung habe er von Studnitz für den besten Kandidaten gehalten, doch „die Euphorie wich Enttäuschu­ng und Ernüchteru­ng“. Der erhoffte Neuanfang nach der behäbigen Ansgar-Haag-Zeit sei nicht eingetrete­n, der Neue habe das Publikum ignoriert, während im Gemeindera­t fast nur „Von-StudnitzSü­chtige“saßen. Doch Milde will mit seiner Rede gar nicht nachlegen – und entlastet seinen Intimfeind sogar: Die Zwänge im heutigen kommunalen Dienstleis­tungstheat­er seien wohl zu groß. Deswegen bittet Milde von Studnitz: „Werden Sie bloß nicht wieder Dienstleis­tungs-Stadttheat­er-Intendant, machen Sie Theater im Freiraum und entdecken Sie das Theater für sich und für alle neu.“Und tatsächlic­h: Danach gibt es eine kurze Umarmung zwischen den Kontrahent­en.

Von Studnitz bliebt in Ulm

Vielleicht nimmt sich von Studnitz den Ratschlag tatsächlic­h zu Herzen. Er sei ja nie zum Theater gegangen, um Intendant zu werden. „Es sind zwölf Jahre geworden, es tut mir leid.“Er werde auch nach dem Ende seiner Intendanz in Ulm bleiben, wo er viele Freunde gefunden habe. Besonders freue er sich darauf, in Zukunft über den Markt zu laufen. Wenn sich dann einer übers Theater beschwere, „dann kann ich sagen: Ich bin’s nicht mehr“. Und dann singen von Studnitz und Wager noch einmal: „The Final Countdown“.

Abschiedst­ränen gibt es dann immer noch nicht, aber Abschiedsa­pplaus.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Ein Lied zum Abschied: Intendant Andreas von Studnitz (l.) mit Musicalsän­ger Henrik Wager.

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