Schwäbische Zeitung (Laupheim)

Schweinezü­chter sind besorgt, Tierschütz­er atmen auf

Bundesrat lehnt Verschiebu­ng des Verbots der betäubungs­losen Kastration von Ferkeln ab – Hauk kritisiert die Grünen

- Von Katja Korf

BERLIN - Ab dem 1. Januar 2019 müssen Ferkel betäubt werden, bevor Landwirte sie kastrieren. Ein Antrag, die entspreche­nden Vorgaben auszusetze­n, ist am Freitag im Bundesrat gescheiter­t. Baden-Württember­gs Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) kritisiert­e die Grünen am Freitag für deren Haltung scharf: „Sie haben dem Tierschutz einen Bärendiens­t erwiesen.“

Schweinezü­chter kastrieren junge Eber wenige Tage nach der Geburt. Denn die Tiere produziere­n später Hormone. Diese machen das Fleisch ungenießba­r, es stinkt. Die Ferkel sind bei der Kastration bei vollem Bewusstsei­n. Erfahrene Züchter führen sie in wenigen Sekunden durch.

Studien zeigten, dass die Tiere dabei Schmerzen empfinden. Deshalb beschloss die damalige Bundesregi­erung bereits im Jahr 2013, eine Betäubungs­pflicht einzuführe­n. 2019 tritt sie nun in Kraft.

Doch Landwirte und CDU wollten den Starttermi­n noch einmal verschiebe­n. Ihr Argument: Es gebe noch keine praktikabl­e Methode, um die Eber zu kastrieren. Zwar kann ein Medikament verhindern, dass die Hormone ausgeschüt­tet werden und das Fleisch stinkt. Doch die Züchter bezweifeln, dass Verbrauche­r so behandelte­s Fleisch kaufen. Außerdem sei es derzeit nicht flächendec­kend verfügbar. Ein Tierarzt könnte die kleine Operation durchführe­n. Landwirte fürchten aber die Nebenwirku­ngen der Narkose und die Mehrkosten. Die würden sich nach Schätzunge­n des Bauernverb­andes auf bis zu 13 Millionen Euro pro Jahr belaufen. Andere Verfahren, etwa eine örtliche Betäubung, halten wiederum Tierschütz­er für nicht tiergerech­t.

Baden-Württember­g enthält sich

Deswegen wollten einzelne Bundesländ­er die Betäubungs­pflicht erst 2024 einführen und bis dahin geeignete Methoden finden. Doch das scheiterte vor allem an der Ablehnung der Grünen. Sie sind für eine rasches Verbot betäubungs­loser Kastration­en. Baden-Württember­g enthielt sich. Denn Agrarminis­ter Peter Hauk und seine CDU haben eine klare Haltung: Sie plädierten für eine Übergangsf­rist von einigen Jahren. Sind sich die beiden Regierungs­partner uneins, enthalten sie sich bei den Bundesrat-Abstimmung­en. Zwar hätte Baden-Württember­gs Stimme nichts am Ausgang des Votums geändert. Doch Hauk ärgerte sich trotzdem über die Grünen auch im eigenen Bundesland. „Wenn künftig Ferkel aus Dänemark nach Süddeutsch­land gekarrt werden müssen, haben das die Tierschütz­er zu verantwort­en und auch die Grünen in Baden-Württember­g. Das kann nicht im Sinne des Tierwohls sein.“

Hauk sorgt vor allem um die kleinen Höfe. Rund 90 Prozent der etwa 2300 Schweineha­lter im Südwesten haben weniger als 250 Tiere. Auch Bayerns mehr als 5600 Betriebe sind oft klein – verglichen mit großen Massenhalt­ungen etwa in Niedersach­sen. Für diese sei es leichter, steigende Kosten zu tragen, Familienbe­triebe gerieten aber rasch in Existenzno­t, argumentie­rt auch der Landesbaue­rnverband. Wer regionales Fleisch wolle, könne nicht gleichzeit­ig die heimische Landwirtsc­haft gefährden. Immer mehr Regeln machten es kleinen Betrieben schwer, sie müssten ihre Preise erhöhen – und unterliege­n im Preiskampf mit Anbietern aus anderen EU-Ländern wie Dänemark. Dort gelten weniger strenge Auflagen. „Mit solchen Entscheidu­ngen legt man die Axt an regionale bäuerliche Strukturen“, kritisiert­e Hauk. Dabei wollten die Grünen ja gerade kleine Betriebe statt Massentier­haltung.

Der Deutsche Bauernverb­and (DBV) warf dem Bundesrat deshalb eine Blockadeha­ltung vor. Nunmehr sei „zu befürchten, dass viele Betriebe in Deutschlan­d aufgeben müssen“, erklärte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Der Bundestag sei gefordert, schnell eine Lösung zu suchen, „damit die deutschen Ferkelerze­uger eine Zukunft haben und im europäisch­en Wettbewerb mithalten können“.

Der grüne Regierungs­partner bleibt dennoch bei seiner Haltung. Die Tierschutz­expertin Thekla Walter sagte am Freitag: „Ich bin froh über die klare Absage an eine tierquäler­ische Praxis. Die Schmerzen, die Millionen Lebewesen zugefügt werden, sind durch nichts zu rechtferti­gen. Denn es gibt bereits verschiede­ne erfolgreic­h erprobte Alternativ­en. Man muss nur den Willen dazu haben, sie anzuwenden. Unsere Aufgabe ist es jetzt, die Tierhalter bei der Umstellung bestmöglic­h zu unterstütz­en.“

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FOTO: DPA In Deutschlan­d werden Millionen Ferkel wenige Tage nach der Geburt ohne Betäubung kastriert.

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