Schwäbische Zeitung (Laupheim)
Es bröckelt von der Decke im Münster
Teile des Gotteshauses sind gesperrt, weil sich im Chor ein langes Stück Putz löst
ULM - Es war kurz vor 9 Uhr als am Donnerstag ein lauter Rumms in Ulms Wahrzeichen aufhorchen ließ. Wie Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagt, löste sich ein etwa 20 Zentimeter großes Stück Putz von der Decke und stürzte etwa zwei Meter vor der Bessererkapelle auf den Boden und zerbröselte dort. Zu Schaden kam niemand. „Zum Glück“, wie Gohl sagt. Damit auch in Zukunft kein Münsterbesucher zu Schaden kommt, wurde, sofort nachdem der Mesner das Malheur entdeckte, der gesamte Chor inklusive des Zugangs zur Bessererkapelle gesperrt.
Am Freitag wurde mit dem Bau eines Gerüstes begonnen, sodass die Experten der Münsterbauhütte am Montag das ganze Ausmaß des Schadens begutachten können. Dann werde auch Münsterbaumeister Michael Hilbert wieder in Ulm sein, der nach Auskunft der Münsterbauhütte derzeit bei einer Tagung weilt. Nichtsdestotrotz wird nach Auskunft von Dekan Gohl im Münster schon kräftig spekuliert, was der Grund für den Steinsturz sein könnte.
Ursache nicht eindeutig
Möglicherweise, so der Dekan, spielt der außergewöhnliche heiße Sommer eine Rolle, der den Putz austrocknet. Erst vor drei Tagen spazierte Gohl mit einer Besuchergruppe unterhalb des Ziegeldachs über der gemauerten Decke des Hauptschiffs der größten evangelische Kirche in Deutschland. „Und es war so heiß“, sagt Gohl. Seit Wochen sei es dort oben über 30 Grad heiß, manchmal sogar bis zu 40. Das trockne möglicherweise den Putz aus. Die Experten der Münsterbauhütte werden ab Montag untersuchen, ob es sich nur um einen kleinen Schaden handelt, der möglicherweise mit etwas Mörtle behoben werden kann. Oder ob der ganze Putz neugemacht werden muss. „Das wäre der Worst-Case“, sagt Gohl. Der Putz stamme nicht aus dem Mittelalter, sondern sei zuletzt in der Nachkriegszeit erneuert worden, nachdem im März 1945 eine Bombe ein Loch Mitte ins Chordach schlug. Schwankende Temperaturen und eine sich damit ändernde Luftfeuchtigkeit setzt dem Münster seit Jahrhunderten zu.
Projekt liegt auf Eis
Bis klar ist, wie ernst der Schaden an der Münsterdecke ist, bleibe der Chorraum gesperrt. Bis dahin liegt auch die laufende Säuberung des berühmten Chorgestühls aus dem 15. Jahrhundert aus der Werkstatt Jörg Syrlins auf Eis. Nach einem erfolgreichen Probelauf sollte eigentlich am 4. Oktober die Firma Kärcher im Rahmen ihres Kultursponsorings die das Chorgestühl umgebenden Wände mit einem Spezialsauger reinigen, damit uralter Staub sowie Ablagerungen in den Fugen und Vorwölbungen nicht weiter auf die hölzernen Kunstwerke rieselt.
Das Gesamtkunstwerk mitsamt seinen Darstellungen zahlreicher griechischer und römischer Künstler und Gelehrter wurde zuletzt vor 68 Jahren gereinigt. Seitdem hat sich eine teilweise deutlich sichtbare Dreckschicht auf dem Holz gebildet, die teilweise auch von der Decke stammt. Industriekletterer sollten sich abseilen, das erspart den Aufbau eines Gerüsts. Der Großputz im Münster geht weiter, wen Chorgestühl und Wände glänzen wie neu: Die Orgelreinigung ist für das kommende Jahr geplant.