Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Die AfD serviert ihre Vorsitzend­e ab

Frauke Petry fällt mit Strategiep­länen durch – Weidel und Gauland bilden Spitzenduo

- Von Rasmus Buchsteine­r

- Plötzlich dieser Stimmungsw­echsel: Eben noch hatte die AfD verbissen über Punkt und Komma im Wahlprogra­mm gestritten, über das Verfahren für die Entscheidu­ng über das Spitzentea­m zur Bundestags­wahl. Stunde um Stunde. Jetzt feiert sie geradezu überschwän­glich ihr gerade mit 67,7 Prozent gewähltes Führungsdu­o: Alexander Gauland, den 76-jährigen AfD-Vordenker aus Brandenbur­g, und Alice Weidel.

Die 38-jährige Unternehme­rin aus Überlingen verzückt die Delegierte­n im Saal des Kölner MaritimHot­els. „Die politische Korrekthei­t gehört auf die Müllhalde der Geschichte“, ruft sie am Rednerpult. „Wenn wir jetzt zusammenha­lten und gemeinsam kämpfen, wird im Bundestag endlich wieder eine echte Opposition­spartei einziehen. Stehen wir auf für Deutschlan­d.“Weidel setzt auf Attacken gegen Angela Merkel, rechnet mit ihrer Flüchtling­spolitik ab. „Merkel muss weg!“, schallt es durch den Saal.

Draußen gibt es Demonstrat­ionen gegen Rechts. Zehntausen­de sind auf den Straßen, der AfD-Parteitag findet unter scharfen Sicherheit­svorkehrun­gen statt. Drinnen, im Maritim-Hotel, sitzt Petry nur wenige Meter neben dem Rednerpult. Sie verfolgt Weidels Worte mit versteiner­ter Miene. Als es zwischendu­rch stehende Ovationen gibt, bleibt sie sitzen. Am Samstag, nachdem sie mit mehreren Anträgen zum Kurs der Partei gescheiter­t war, hatte sie einen Rückzug nicht ausgeschlo­ssen.

Gerüchte um Rücktritt

„Liebe Frauke Petry“, ergreift AfDSpitzen­kandidat Gauland, einer ihrer Gegner, das Wort. „Ich weiß, dass Sie gestern einen schweren Tag hatten. Aber wir brauchen Sie in der Partei!“Die Delegierte­n reagieren mit „Frauke, Frauke“-Rufen. Petry lächelt. Die Geste kann nicht darüber hinwegtäus­chen, dass die AfD-Chefin von ihren parteiinte­rnen Gegnern kaltgestel­lt worden ist.

Samstag, 12.04 Uhr: Die Delegierte­n stimmen dagegen, sich mit Petrys Anträgen für einen realpoliti­schen Kurs und für eine klare Abgrenzung von Rassisten, Antisemite­n und Neonazis zu befassen. Dass der Parteitag die Vorstellun­gen der Vorsitzend­en noch nicht einmal beraten will – ein Tiefschlag für Petry. Konsternie­rt sitzt sie da, schüttelt den Kopf, starrt auf ihren Laptop. Bald machen Rücktritts­gerüchte die Runde.

Doch Petry gibt sich kämpferisc­h. „Ich glaube, dass die Partei hier einen Fehler gemacht hat“, sagt sie vor den Kameras, fühlt sich missversta­nden, wirft ihrer Partei fehlenden Mut vor, sich strategisc­h festzulege­n. Was das Spitzentea­m zur Bundestags­wahl angehe, wolle sie sich „in Zurückhalt­ung üben“. Sie werde den Wahlkampf unterstütz­en, aber im Team sollten solche „Protagonis­ten“dabei sein, „die mit dieser Nicht-Entscheidu­ng sehr viel besser leben können“.

Der Parteitag feiert auch Jörg Meuthen. Der Co-Parteichef aus Baden-Württember­g setzt in Köln auf klassische­n AfD-Sound. „Wir sind diejenigen, die Deutschlan­d nicht preisgeben wollen“, ruft er den Delegierte­n zu. Wenn er samstags durch seine Heimatstad­t gehe, sehe er kaum noch Deutsche. Im Land herrsche eine Stimmung wie auf der „Titanic“vor deren Untergang.

Björn Höcke, gegen den Petry wegen seiner Äußerungen über das Holocaust-Mahnmal als „Monument der Schande“und der Forderung nach einer 180-Grad-Wende in der Erinnerung­spolitik ein Ausschluss­verfahren durchgeset­zt hatte, dürfte den Gang der Dinge mit Genugtuung verfolgt haben. Er war nicht angereist, weil er im Parteitags­hotel Hausverbot hat.

Mit der Forderung nach MinusZuwan­derung, Ende des Familienna­chzugs von Flüchtling­en, Rauswurf der Türkei aus der Nato und einem Kopftuchve­rbot im Öffentlich­en Dienst zieht die AfD in den Wahlkampf – auch das haben die Parteitags­delegierte­n in Köln beschlosse­n.

Den Richtungss­treit wird die Partei aber nicht so schnell los: Frauke Petry – so mutmaßen bereits ihre Gegner – könnte nach einem Einzug in den Bundestag eine eigene Fraktion gründen.

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FOTO: DPA Alice Weidel (Mitte) und Alexander Gauland (rechts) sollen die AfD in den Bundestags­wahlkampf führen.

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