Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Sensation mit Wermutstro­pfen

- Von Gabriele Lesser politik@schwaebisc­he.de

Es ist eine Sensation: Polens Staatspräs­ident Andrzej Duda blockiert mit seinem Veto die rasant vorangetri­ebene Justiz-„Reform“der nationalpo­pulistisch­en Regierungs­partei. Das Veto kann als Erfolg der Straßen- und Opposition­sproteste gelten. Das Oberste Gericht und der Landesjust­izrat bleiben unabhängig – zumindest fürs Erste. Ein Wermutstro­pfen bleibt aber auch nach dieser Entscheidu­ng.

Niemand bestreitet, dass das Rechtssyst­em in Polen einer grundlegen­den Reform bedarf. Allerdings sind es vor allem verkrustet­e Abläufe und Prozeduren, die Prozesse zu quälend langen und teuren Verfahren machen und häufig zu absurden Urteilen führen. Die nationalpo­pulistisch­e Recht und Gerechtigk­eit (PiS) wollte mit ihrem „Reformpake­t“aber nicht diese Missstände angehen, sondern – verfassung­swidrig – alle bisherigen Richter am Obersten Gericht sowie im Landesjust­izrat in den Ruhestand schicken und durch PiS-loyale Richter ersetzen.

Der Präsident, selbst Jurist, stand unter Druck. Er hatte drei Möglichkei­ten: Er konnte erstens die verfassung­swidrigen Gesetze unterschre­iben, wie es der PiS-Parteivors­itzende Jaroslaw Kaczynski von ihm erwartete. Damit hätte er sich allerdings nicht nur in Polen, sondern weltweit als Jurist unmöglich gemacht und sich selbst jede weitere Karriere nach seiner Amtszeit verbaut. Er konnte zweitens die Gesetze an das Verfassung­sgericht überweisen, das aber – auch durch seine Schuld – nur noch Erfüllungs­gehilfe der Regierung ist. Und er konnte eben drittens mit einem Veto die Gesetze zurückverw­eisen ins Parlament. Da die PiS über keine Zweidritte­lmehrheit im Sejm verfügt, kann sie das Veto nicht überstimme­n, sodass die beiden Gesetze nun tatsächlic­h vom Tisch sind.

Möglicherw­eise fordert die PiS ihn nun aber zum Rücktritt auf. Kühl kalkuliere­nd konnte er dieses Risiko wagen. Und eigentlich hätte er noch mehr wagen müssen. Denn das „Reform“-Gesetz, das die nicht weniger wichtigen allgemeine­n Gerichte dem Justizmini­ster unterstell­t, hat Präsident Duda leider unterschri­eben.

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