Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Helfer im Zwielicht

Britische Regierung droht Oxfam mit Ende der finanziell­en Unterstütz­ung

- Von Sebastian Borger und dpa

LONDON - Wegen des Prostituti­onsskandal­s bei der Hilfsorgan­isation Oxfam ist die Vizechefin der Organisati­on, Penny Lawrence, zurückgetr­eten. Sie übernehme die „volle Verantwort­ung“für das Verhalten von Mitarbeite­rn in diesen Ländern, auf das „wir nicht angemessen reagiert haben“. Sie schäme sich, dass dies alles passiert sei, teilte Lawrence am Montag in London mit. Als Lawrence im Jahr 2006 zu Oxfam in Großbritan­nien stieß, war sie zunächst als internatio­nale Programmdi­rektorin für Teams in Dutzenden Ländern zuständig.

Im Gespräch mit der britischen Entwicklun­gshilfemin­isterin Penelope Mordaunt verteidigt­en die Manager von Oxfam am Montag die Reputation ihrer Wohlfahrts­organisati­on. Die konservati­ve Politikeri­n hatte die Spitze des internatio­nal anerkannte­n Entwicklun­gshelfers nach den schwerwieg­enden Vorwürfen einbestell­t. Die Organisati­on müsse „moralische Führungsst­ärke“zeigen und alle Informatio­nen offenlegen, forderte Mordaunt. Ansonsten werde die Regierung die Zusammenar­beit mit Oxfam beenden. Im vergangene­n Jahr hatte Oxfam von der britischen Regierung 31,7 Millionen Pfund (35,7 Millionen Euro) erhalten. Auch die EU-Kommission drohte am Montag mit dem Entzug von Geldern und forderte eine vollständi­ge Aufklärung der Vorwürfe. Die Kommission ist ein wichtiger Geldgeber für Hilfsorgan­isationen weltweit. Einer Sprecherin zufolge erhielt Oxfam Großbritan­nien 2011 aus Brüssel 1,7 Millionen Euro für Hilfsproje­kte in Haiti.

Das 1942 in der Universitä­tsstadt gegründete „Oxforder Komitee für Hungerhilf­e“, nach dem Gründungso­rt und dem englischen Wort Famine (übersetzt: Hungersnot) Oxfam genannt, genießt in der Entwicklun­gsbranche eigentlich einen guten Ruf. Die Regierung vertraut Oxfam seit Jahrzehnte­n Millionen Steuergeld­er an. Dem jüngsten Jahresberi­cht zufolge kam das Gesamtbudg­et von umgerechne­t 461 Millionen Euro zu 45 Prozent von staatliche­n Organisati­onen, der Rest von privaten Geldgebern und Unternehme­n.

„Wie bei Caligula“

Die Vorwürfe beziehen sich vor allem auf Geschehnis­se nach dem verheerend­en Erdbeben in Haiti, bei dem 2010 mehr als 100 000 Menschen ums Leben kamen. Danach strömten Hunderte von Hilfsorgan­isationen in die bitterarme Karibiknat­ion. Dem Vernehmen nach galt die örtliche Oxfam-Niederlass­ung unter Leitung des Belgiers Roland von Hauwermeir­en schon bald als Partytreff­punkt, wo sich Entwicklun­gshelfer aus aller Herren Länder mit einheimisc­hen Frauen trafen. „Wie bei Caligula“sei es dort zugegangen, behauptete­n Zeugen mit Bezug auf den dekadenten Lebensstil des römischen Kaisers. Die „Times“hatte zum Wochenende zuerst über den Skandal berichtet.

Als 2011 entspreche­nde Hinweise bei Oxfam eingingen, ordnete die Organisati­on eine interne Untersuchu­ng an. Vier Mitarbeite­r wurden entlassen, drei weitere, darunter auch Hauwermeir­en, reichten ihre Kündigung ein. In der Öffentlich­keit ebenso wie gegenüber der Aufsichtsb­ehörde Charity Commission und dem Ministeriu­m war allgemein von „Fehlverhal­ten“die Rede; dass es dabei um Sex mit Prostituie­rten ging, wurde verschwieg­en. Der Vorwurf, unter den jungen Frauen seien auch Minderjähr­ige gewesen, habe sich nicht erhärten lassen, heißt es bei Oxfam. Bei den haitianisc­hen Behörden habe man die Vorgänge nicht zur Sprache gebracht, weil dies die betroffene­n Frauen in Schwierigk­eiten hätte bringen können.

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