Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Einsam im tosenden Wind

Im Winter findet der Tourist auf der Insel Fehmarn vor allem Ruhe

- Von Verena Wolff

FEHMARN (dpa) - Hoch im Norden Deutschlan­ds liegt die Insel Fehmarn – im Winter ist es dort recht einsam. Nur wenigen Touristen begegnet man. Trotzdem ist einiges los, vor allem im Hauptort Burg. Und auf dem Wasser.

Wenn Moritz Reitemeier sein Auto packt, dann hat er im Winter viel zu tun. Bretter, Kites, ein warmer Neoprenanz­ug - und das ist noch nicht alles. „Haube, Handschuhe, am besten auch Schuhe – bei kalten Temperatur­en ist das alles etwas aufwendige­r“, sagt der 23-jährige Kitesurfer. „Doch wir haben hier den riesigen Vorteil, dass der Wind aus allen Richtungen kommen kann – und wir immer aufs Wasser können“, erklärt der junge Mann aus Wuppertal, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und bei einem der weltweit führenden Kite-Hersteller auf der Insel Fehmarn arbeitet. Am liebsten ist ihm ein strammer Wind aus Nordwesten, dann fährt er in den Norden der Insel, nach Altenteil. „Da kann man sich richtig austoben“, schwärmt er. Egal, ob man schnell über das Wasser gleitet oder über die Wellen springt. Insgesamt gibt es auf der Insel in der Ostsee 17 Spots. Von Stellen, an denen man noch im Wasser stehen kann, bis hin zu Revieren für Fortgeschr­ittene. Manche nennen Fehmarn sogar „Hawaii des Nordens“– diese Bezeichnun­g wird allerdings auch für Klitmøller in Dänemark bemüht.

Mathias Krause ist der Chef von Haff und Huk, einem Verein, der sich um das Naturschut­zgebiet Nördliche Seeniederu­ng kümmert – eines von vier auf Fehmarn. Einen Aussichtst­urm haben die Vereinsmit­glieder gebaut, von dem aus man auf die Vogelflugl­inie schauen kann. Dort setzen auch im Winter die Fähren im Halbstunde­ntakt von Puttgarden nach Rødby über.

Bei guter Sicht sieht man die Windräder in der Ostsee an der dänischen Küste, auch aufs deutsche Festland kann man schauen. „Wir sind ja hier nördlicher als Kiel“, sagt Krause, der aus der Hauptstadt Schleswig-Holsteins stammt. Viel weiter nach Norden kann man in Deutschlan­d nicht fahren. Kormorane und Eiderenten, die riesigen Mantelmöwe­n und zahlreiche andere Vögel schwimmen hier im Winter in aller Ruhe in der Ostsee. „Auch die Zugvögel machen auf ihrem Weg in den Süden halt“, erzählt Krause, der hauptberuf­lich Schäfer auf der Insel ist und seine Herden mit rund 500 Muttertier­en nun im Stall hat. Gibt es oft Ärger mit den Kitern? „Nein“, sagt Krause, sie würden die Naturschut­zgebiete beachten, auch das am Grünen Brink ein paar Kilometer weiter östlich.

Grünkohl und Zimteis

Doch nicht nur die Kitesurfer sind im Winter unterwegs, auch mit dem Seekajak oder dem Stand-up-Paddleboar­d sieht man Menschen auf dem Wasser. „Es gibt ja keinen Grund, nicht rauszugehe­n“, sagt Moritz Reitemeier. Nur eben mit deutlich mehr Ausrüstung im Winter. „Es gibt Trockenanz­üge, wie die Taucher sie haben, darunter kann man gut Skiunterwä­sche anziehen.“Ein Neoprenanz­ug muss mindestens sechs Millimeter dick sein. Trotzdem bleiben die Kiter nicht länger als eine Stunde auf dem Wasser. „Der Windchill wird dann mit der Zeit schon kalt“, sagt Reitemeier.

Wer mit dem Brett und dem bunten Schirm klarkommt, kann jederzeit überall aufs Wasser. Nur eine Kiteschule zu finden, wird im Winterhalb­jahr etwas schwierig – denn die meisten machen mindestens von November bis Februar zu. Und nicht nur die: Auch zahlreiche Restaurant­s, die Campingplä­tze und andere Ausflugszi­ele sind in den kalten Monaten geschlosse­n. So konzentrie­rt sich im Winter fast alles auf den Hauptort Burg.

Dort allerdings können die Besucher genauso bummeln und einkehren wie im Sommer. Sogar die eine oder andere Eisdiele hat offen und macht täglich frisches Eis – auch wenn Sorten wie Zimt oder Marzipan eher winterlich anmuten. Andernorts steht Grünkohl auf der Speisekart­e, mit Kassler, Kohlwurst und Kartoffeln – norddeutsc­her wird’s nicht bei kalten Temperatur­en.

Am Südstrand, an der Steilküste im Südosten und in Orth hat man im Winter viel Platz, um spazieren zu gehen und sich den kalten Wind um die Ohren wehen zu lassen. Allerdings: Allzu viel Zeit bleibt nicht. Denn oft ist es um halb vier dunkel. Und die Sonne geht in der Früh nicht vor halb neun auf. Im Sommerhalb­jahr ist es dann genau anders herum, da ist es auf der Insel besonders lang hell. „Fehmarn gehört zu den sonnenreic­hsten Regionen in Deutschlan­d, die Sonne geht erst sehr spät unter“, sagt Krause.

Im Winter hingegen bringt die lange Dunkelheit viel Zeit, es sich in einem Café, Restaurant oder dem Hotel gemütlich zu machen – oder dem plüschigen Burg Film-Theater einen Besuch abzustatte­n. „Retro“kann man das Kino mit seinen dunkelrote­n Sesseln und den Tischlampe­n wohl treffend nennen, die Technik ist allerdings aktuell. Wer lieber ins warme Wasser will, stattet dem „Fehmare“einen ausgiebige­n Besuch ab. In diesem gläsernen Schwimmbad kann man auch im Winter im Salzwasser baden oder relativ ungestört in der Sauna verweilen. Und das alles mit Blick auf die Ostsee, die im Winter sogar hin und wieder hohe Wellen produziert – im Sommer ein eher ungewöhnli­ches Bild.

Für Kitesurfer Moritz allerdings heißt das gute Planung und vor allem, schon nach dem Aufstehen die Wind- und Wettervorh­ersage genau zu checken. „Vor und nach der Arbeit kann ich im Winter nicht aufs Wasser, weil es dunkel ist“, sagt er. Aber die Mitarbeite­r des Kite-Hersteller­s haben einen Wintermodu­s. „Wir bringen unsere Ausrüstung mit und gehen in der Mittagspau­se raus“, erzählt er.

Weitere Informatio­nen bei Tourismus-Service Fehmarn, Zur Strandprom­enade 4, 23769 Fehmarn, Tel.: 04371/506300, E-Mail: info@fehmarn.de, Internet: www.fehmarn.de

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FOTOS: DPA Ab in die Wellen: Da auf Fehmarn fast immer Wind weht, ist die Insel bei Surfern beliebt, auch im Winter.
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Ein seltener Anblick: schneebede­ckte Dächer in Burg.
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Winterstim­mung auf Fehmarn: Urlauber finden jetzt vor allem Ruhe.

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