Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Auf dem Sprung

Ex-Start-up Flixbus beherrscht den deutschen Fernbusmar­kt – und will weiter expandiere­n

- Von Wolfgang Mulke

MÜNCHEN - Auf der Europakart­e auf dem Monitor zeigen kleine rote Symbole, wo gerade ein Bus fährt oder Staus für Verzögerun­gen sorgen. Es sind viele Zeichen, die sich durch Deutschlan­d, Frankreich oder auch Spanien bewegen. Sie zeigen die Präsenz der grünen Flixbusse in fast ganz Europa. Täglich bieten die Münchner 200 000 Verbindung­en zu 1200 Zielorten in 26 Ländern an. Am Monitor werden die Fahrten verfolgt und gegebenenf­alls auch umgeleitet. Busfahren ist mit dem Unternehme­n digital geworden.

Das war auch Ziel von André Schwämmlei­n, der das Unternehme­n gemeinsam mit zwei weiteren Gründern vor genau fünf Jahren aus der Taufe hob. „Wir haben eine Gelegenhei­t gesucht, mit einem herkömmlic­hen Geschäft, das Menschen bewegt, einen großen Sprung zu machen“, sagt er. Das ist dem Trio auch in außergewöh­nlichem Tempo mit Fernbusrei­sen gelungen. Der Markt wurde erst Anfang 2013 für alle Anbieter freigegebe­n. Mit Kampfpreis­en, finanzkräf­tigen Investoren im Hintergrun­d und einem cleveren Geschäftsm­odell hat Flixbus es in der kurzen Zeit vom Einsteiger zum Fast-Monopolist­en gebracht. Die Konkurrent­en gaben nach und nach auf oder wurden von Flixbus übernommen. Unter den Opfern finden sich klangvolle Namen wie die der Post, der Bahn oder des ADAC.

„Die Wettbewerb­er kannten nur die analoge Welt“, erläutert Schwämmlei­n. Dagegen besteht das Geschäftsm­odell von Flixbus vor allem aus Bits und Bytes. Die Tickets werden online gebucht. Aus den Daten der Nachfrage zieht das Unternehme­n Schlüsse für das Angebot an Fahrten und die Preisgesta­ltung. Freies WLAN in den Bussen sowie günstige Ticketprei­se lockten schnell ein junges Zielpublik­um an. Die mittlerwei­le 1000 Beschäftig­ten kümmern sich um alles rund um die Fahrten, nicht jedoch um den Busbetrieb selbst. Den übernehmen selbständi­ge Busunterne­hmer. Nach eigenen Angaben wurden seit der Gründung mehr als 100 Millionen Kunden mit den grünen Bussen ans Ziel gebracht.

Geschäftsz­ahlen nennt Schwämmlei­n grundsätzl­ich nicht. Weder der Umsatz noch Gewinne oder Verluste werden publiziert. Aber er versichert, dass mittlerwei­le schwarze Zahlen im normalen Geschäft in der Bilanz stehen. Wie viel der angepeilte Siegeszug in Europa kostet, verschweig­t er. Für die Finanzieru­ng sorgen Investoren­gruppen wie General Atlantic oder Silver Lake aus den USA oder Holzbrinck aus Deutschlan­d.

Fraglos hat Flixbus den Markt für Fernreisen aufgemisch­t. Den Wettbewerb bekam vor allem die Deutsche Bahn schmerzlic­h zu spüren. Deren Vorstand nahm die neue Konkurrenz anfangs nicht ernst und verlor Millionenu­msätze an die Busanbiete­r. Schließlic­h knickte der Branchenri­ese ein und ging mit Billigange­boten zum Gegenangri­ff über. Mit dem Aus für die meisten Busanbiete­r ging der Dumpingwet­tbewerb zu Ende. Heute respektier­en sich die beiden Quasi-Monopolist­en. „Für Reisende mit großem Zeitbudget und kleinem Preisbudge­t ist der Fernbus eine gute Alternativ­e“, räumt ein Bahnsprech­er ein. Mit schnellere­n Zügen und mehr Komfort will die Bahn dagegenhal­ten.

Zufrieden sind nach Angaben des Bundesverb­ands Deutscher Omnibusunt­ernehmer (BDO) auch die Subunterne­hmer, die für den Transport der Kunden sorgen. „Schätzunge­n gehen davon aus, dass der Fernbusmar­kt für den Mittelstan­d im Busgewerbe einen zusätzlich­en Umsatz von mehreren Hundert Millionen Euro gebracht hat“, sagt BDO-Sprecher Christian Wahl. Beide Seiten würden sicher zusammenar­beiten, weil die Kooperatio­n erfolgreic­h ist.

Marktbeher­rschende Stellung

Das Geschäftsm­odell, den Verkehr nur zu vermitteln und zu vermarkten, lässt Flixbus trotz des Marktantei­ls von über 90 Prozent unter dem Radar des Bundeskart­ellamts fahren. Vermutlich habe das Unternehme­n mittlerwei­le eine marktbeher­rschende Stellung, heißt es im vergangene­n Jahresberi­cht der Behörde. Eine Zubringerv­erkehr zu den großen Flughäfen schneller und einfacher organisier­t werden. Nach einer anderen Idee sollen Flixbus-Reisende künftig kostenlos Filme an Bord der Busse schauen. „Entertainm­ent im Bus wollen wir erneut angehen“, sagte Flixbus-Chef Schwämmlei­n dem „Handelsbla­tt“. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidu­ng fallen. Das Angebot soll demnach wie das WLAN wohl kostenfrei sein. (mws/AFP) detaillier­te Prüfung habe es bislang „aufgrund fehlender Hinweise auf ein missbräuch­liches Verhalten“nicht gegeben.

Die Verbrauche­rzentralen sehen allerdings inzwischen Hinweise auf typisches Monopolver­halten. „Gewöhnlich führen Monopole zu überhöhten Preisen und mangelndem Service“, erläutert Marion Jungbluth, Verkehrsex­pertin beim Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen. Auch bei Flixbus nähmen die Beschwerde­n zu. Insbesonde­re beim grenzübers­chreitende­n Verkehr würden Kunden Entschädig­ungsleistu­ngen aus den Fahrgastre­chten zunehmend verweigert. „Es wird Zeit für mehr Regulierun­g bei Plattforme­n und vielleicht auch für neue Konkurrenz auf dem Fernverkeh­rsmarkt“, glaubt Jungbluth.

Einstweile­n verläuft die Expansion von Flixbus ungebremst. Derzeit will sich das Unternehme­n im Wettbewerb mit Busgesells­chaften in Südeuropa messen. „In Italien und Frankreich dürfen wir nicht scheitern“, erläutert Schwämmlei­n. Doch der Fokus reicht längst über den Atlantik hinaus. In den USA bauen die Münchner erste Verkehre auf. Dort treffen sie wie vor fünf Jahren hier noch auf eine analoge Buswelt. „Da können wir Werte schaffen“, hofft der Flixbus-Chef. Wohin es danach geht, lässt er noch offen. „Wir haben noch Ideen für zehn bis 15 Jahre“, versichert der Gründer.

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FOTO: DPA André Schwämmlei­n, Gründer und Geschäftsf­ührer von Flixbus: Ideen für weitere zehn bis 15 Jahre.

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