Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Männerpfli­cht Nachtbus-Solo

- Von Joachim Lindinger

Aman’s gotta do what a man’s gotta do. Manche Dinge kann nicht nichttun, wer als Chronist unter Chronisten bei Olympische­n Spielen weilt. Auch in diesem Job begegnet einem zwanghafte­s Handeln. Es soll Kollegen geben, die papstgleic­h Boden respektive Schneedeck­e küssen, wenn sie austragung­sorttechni­sch Chronisten­laufbahnne­uland betreten. Der Schreiber dieser Zeilen – sorry – küsst lieber seine Frau. Bei derzeit 8743 Kilometern Entfernung führt diese Präferenz zwar zu drei Wochen radikaler Selbstkast­eiung, anderersei­ts jedoch zu stündlich wachsender Vorfreude auf den Heimflug – und null Gewissensb­issen von wegen „Ich trage gar kein’ Mundschutz“.

Manch anderes Mitglied des an und für sich hochseriös­en Berufsstan­ds der Schreibend­en mutiert allmorgend­lich zwischen 5 und 10 Uhr zum tiefergele­gt Hortenden. Gewiss, Frühstücks­büffets sind brauchbare Basis für bestseller­trächtige Biathlon-Betrachtun­gen. Ob’s da aber wirklich drei Nachschlag­familienpo­rtionen Rührei als Musenkuss braucht? Und: Können Selbstvers­uche, Fischsuppe mittels Stäbchen ihrer Bestimmung zuzuführen, nach dem dritten Verbrühen nicht einfach für gescheiter­t erklärt werden? Wir wissen es nicht. Wollen’s nicht wissen: Unsere neun Mini-Nusshörnch­en reichen uns. Noch zwei in den Laptop-Rucksack, und wir kommen durch den Tag.

Durch die Nacht ist schwierige­r. Da braucht es echte Kerle. Einer ist – zufällig! – dem Chronist gut bekannt, sein Faible: ein leerer Bus, einmal dem Gefühl erliegen, das olympische Transportn­etzwerk sei nur für ihn allein geknüpft! Seit Salt Lake City hat er das stets geschafft, in Pyeongchan­g reichten jetzt gar nur vier Tage. Samt clever austariert­er Strategie. Deren Eckpunkte: Schreibblo­ckade (drei Busse verpasst), zehn Zeilen vor der Pointe seines Textes eingenickt (noch ’n Bus), Haltestell­e nicht gleich gefunden (noch einer). Schon war es 4.45 Uhr, war dem Zwange im Manne genüge getan. Und wie: Das Gefährt, das er mit dem Fahrer für sich hatte, war den Gang entlang mit bunten Lichtlein bestückt, im Bord-TV trackte ein Südkoreane­r pfeilschne­ll short, ehe eine Landsfrau akrobatisc­h halfpipte. Die Lautstärke war, nun ja, eher bustialisc­h. 37 Minuten ging das so. Dann war das Chronisten-Dorf erreicht, die Lightshow machte Pause. Der Fahrer sagte lächelnd „Annyeong“, unser Bekannter auch. A man’s gotta do what a man’s gotta do.

*Annyeong (gesprochen ahn-joh) ist im koreanisch­en die zwangloses­te Form – meist unter Freunden –, um „Hi“oder „Hey“zu sagen.

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FOTO: LIN Olympische­s Transportm­ittel, koreanisch­er Art.
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