Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Nicht rechts genug

In Burladinge­n kommen die AfD-Rebellen zu Wort, die die Partei gerne loswerden möchte

- Von Nico Pointner

STUTTGART/BURLADINGE­N (dpa) Am Ende war Björn Höcke dann doch irgendwie anwesend auf der Schwäbisch­en Alb. Anhänger seines rechtsnati­onalen „Flügels“hatten in der Burladinge­r Stadthalle Aufsteller mit seinem Konterfei auf die Bühne gestellt. „Höcke! Höcke! Höcke!“rufen zu Beginn des Treffens viele der rund 250 Gäste. Dann werden die Plakate plötzlich umgedreht, schließlic­h sei es keine „Flügel“-Veranstalt­ung, sagt die baden-württember­gische Landtagsab­geordnete Christina Baum auf der Bühne.

Nachdem sie sich nicht in Ulm versammeln durften, kam die Splittergr­uppe des sogenannte­n Stuttgarte­r Aufrufs in Burladinge­n zusammen, wo Bürgermeis­ter Harry Ebert selbst AfD-Mitglied ist. Es sind die rechten Rebellen der AfD, die hier ans Mikrofon treten dürfen. Die, gegen die derzeit ein Parteiauss­chlussverf­ahren läuft – und deretwegen der Verfassung­sschutz derzeit ganz genau auf die Partei schaut.

Der Inlandsnac­hrichtendi­enst hat die Partei Mitte Januar zum Prüffall erklärt. Noch genauer hinschauen will die Behörde bei der rechtsnati­onalen Parteivere­inigung „Der Flügel“und bei der Jungen Alternativ­e. Die AfD will dem Verfassung­sschutz gerichtlic­h verbieten lassen, sie öffentlich einen „Prüffall“zu nennen.

Die Parteispit­ze versucht seit Längerem, einer Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz mit V-Leuten und Telefonübe­rwachung zu entgehen. Der Bundesvors­tand hatte im September 2018 eine Kommission gegründet, die dafür eine Strategie entwickeln sollte. Ein von der AfD bestellter Gutachter warnte davor, Begriffe wie „Überfremdu­ng“und „Umvolkung“zu benutzen.

In Burladinge­n betrachtet man das als den genau falschen Weg. Aus Angst vor einer Beobachtun­g habe die Partei eine „innerparte­iliche Spionagegr­uppe“eingericht­et und grenze Mitglieder aus, kritisiert Baum, die dem „Flügel“angehört. Sie hat auf die Alb geladen. Im rechtsnati­onalen Spektrum der Partei klagen viele AfD-Mitglieder bereits länger über einen sich verengende­n Meinungsko­rridor. Im Herbst gehörte Baum zu den Initiatore­n des Stuttgarte­r Aufrufs, in dem sich AfD-Mitglieder gegen „Denk- und Sprechverb­ote“aussprache­n.

Rechtsauße­n aus dem ganzen Land

Davon ist in Burladinge­n nichts zu spüren. Unter den Rednern sind Mitglieder aus ganz Deutschlan­d, die einen Parteiraus­wurf fürchten müssen. Etwa Doris von Sayn-Wittgenste­in, ehemals Landesvors­itzende in Schleswig-Holstein, die wegen Kontakten zu einem rechtsextr­emistische­n Verein aus der Partei fliegen soll. Oder der baden-württember­gische Landtagsab­geordnete Stefan Räpple, der nach Zwischenru­fen im Dezember von der Polizei aus dem Landtag geführt wurde.

Räpple wirbt in Burladinge­n für einen radikalere­n Kurs – und erhält viel Applaus. Gerade durch Äußerungen wie zum Einsatz von Schusswaff­en gegen Flüchtling­e an der Grenze oder durch den Besuch der Demonstrat­ionen in Chemnitz habe die AfD in der Wählerguns­t zugelegt. Räpple marschiert­e in Chemnitz Seite an Seite mit Rechtsextr­emisten.

Im Saal sind Menschen, die die blaue Kornblume am Revers tragen, die in Österreich einst als Erkennungs­zeichen der Nationalso­zialisten diente. „Das ist der Hardcorefl­ügel, der völkische Flügel“, sagt ein Demonstran­t aus Tübingen. Er steht mit ein paar Dutzend anderen vor der Stadthalle in der Kälte. Dort wehen Fahnen der IG Metall, der SPD, der Antifa. „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“schreien sie an der Absperrung. Der Demonstran­t aus Tübingen hält die ganze AfD für gefährlich, nicht nur die rechte Splittergr­uppe. Die da drinnen äußerten sich nur offener als die anderen.

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