Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Ich habe die Nacht verloren und den Tag gewonnen“

Rapper Marteria über das nüchterne Leben

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Bei Marteria (34) weiß man gar nicht, wo man anfangen soll: Ex-Fußballpro­fi, ExModel, Ex-Schauspiel­schüler und inzwischen einer der erfolgreic­hsten Rapper des Landes. Dazu leidenscha­ftlicher Angler und exzessiver Weltenbumm­ler. Zeit für ein Interview der Deutschen Presse-Agentur über Lieblingsl­änder und Königsfisc­he, alte Erinnerung­en und neue Musik – und die Vorteile des nüchternen Lebens.

Sie haben mal gesagt, jedes Album muss sich von seinem Vorgänger unterschei­den, inwiefern grenzt sich „Roswell“von „Zum Glück in die Zukunft II“ab? Bei der Arbeit zur letzten Platte war ich extrem viel im Nachtleben unterwegs, das war eine düstere Platte mit viel Melancholi­e und Tiefe. Das neue Album geht eher nach vorne. Das wichtigste ist aber immer die Message. Jeder Mensch hat eine Meinung, ich finde es ganz wichtig, dass man diese Meinung vertritt.

Auf „Roswell“sind viele biografisc­he Songs, etwa über Ihre Jugend in Rostock, Ihre Angel-Leidenscha­ft oder Ihre Zeit als Model in New York. Wo nehmen Sie die Erinnerung­en her? Ich habe vor länger Zeit eine alte Box mit Reimbücher­n gefunden. Der neue Song „Skyline mit zwei Türmen“hat sechs oder sieben Zeilen, die ich mit 17 in New York geschriebe­n habe. Wenn du das wieder liest, kommen all die Erinnerung­en hoch. Wie du damals langgerann­t bist, als Alien in dieser wunderschö­nen, wahnsinnig­en Stadt. Die spannendst­e Stadt der Welt, auch wenn die Wahrheit manchmal anders aussieht.

Wie sieht sie denn aus? In Interviews liest sich das immer so großartig – der war mal Model in New York. Aber das war ein ganz schöner Kampf. Oft lag ich heulend mit Heimweh im Bett. In dem Alter vermisst du deine Freunde total. Da kommt eine Sehnsucht, ein Teil von etwas zu sein, einfach nur integriert zu sein. Jemanden kennenzule­rnen, mit dem man mal eine halbe Stunde Basketball spielen kann. Noch heute bin ich die Hälfte des Jahres Ausländer, daher kommt wahrschein­lich auch meine Alien-Thematik – wie es ist, sich fremd zu fühlen.

Sie reisen leidenscha­ftlich gerne, haben schon über 60 Länder auf dem Konto. Welche Region fasziniert Sie am meisten? Afrika hat mich besonders in seinen Bann gezogen: der Vibe, die Farben, die Herzlichke­it, die dir entgegenko­mmt. In Südamerika ist es ähnlich. Meistens sind es die Leute, die wenig haben, wo du viel bekommst – da wird das letzte Stück Brot geteilt mit dir. Ich war in Uganda in einem verrückten Slum. Dort kannten die nur einen Deutschen – das war Campino, weil er dort mal drei Wochen geschlafen hat. Das war so ein Wahnsinn. Ich kann nur jedem empfehlen, zu reisen. Es ist das Beste, was man auf der Welt machen kann.

Sie waren nicht nur Model sondern auch Schauspiel­schüler, Fußballer und nun Musiker. Welchen dieser Jobs sollte Ihr Sohn eher nicht machen? Model! Das ist nicht cool, weil du nichts kreierst. Als Schauspiel­er kreierst du deine Rolle, als Fußballer ein Spiel, als Musiker einen Song. Aber als Model bist du nur eine Marionette für einen Designer. Das hat keinen Spirit.

Der Song „Tauchstati­on“schließt mit Ihrem Partyleben ab. Sie trinken seit zwei Jahren kein Alkohol mehr, verzichten auf härtere Drogen. Wie ist das nüchterne Leben ? Sehr angenehm, alles ist klarer. Ich habe den Tag gewonnen, aber die Nacht verloren. Und es gab ja auch einen ernsten Grund. Ich hatte ein schweres Nierenvers­agen und wäre fast gestorben. Dir muss so was selbst passieren, damit du es sein lässt. Das ist ein abgedrosch­ener Spruch, aber er ist wahr.

War das ein Wendepunkt? Du musst dir eingestehe­n, was du für ein Mensch bist. Ich bin nie der EinBier-Typ gewesen. Ich war auch keine krasser Alki, aber ich war exzessiv. Wenn wir feiern waren, dann auch mal drei Tage im (Berliner Club) Berghain. Ich habe es gehasst, nach Hause zu gehen. Es gab aber auch exzessive Sport- oder Ruhephasen. Beim Alkohol habe ich mir gedacht, ich lass das jetzt komplett. Das ist auch ein Extrem. Und mir hat das Angeln geholfen. Für viele ist das langweilig, aber ich bin Raubfischa­ngler, das ist etwas sehr intensives, sehr sportliche­s. Komischerw­eise lerne ich auf der ganzen Welt Leute kennen, die auch eine intensive Rauschphas­e hatten und jetzt im Angeln einen Ausgleich finden.

Was hat es mit dem Blue Marlin auf sich? Sie haben dem Fisch ein Lied gewidmet und sogar auf die Wade tätowiert. Das ist der Königsfisc­h der Angler. Die berühmtest­e Kurzgeschi­chte der Welt, „Der alte Mann und das Meer“, dreht sich um den Blue Marlin. Der Hemingway-Fisch wurde auf der Seite von Kuba gefangen. Ich habe ihn vor Jamaika geangelt, also praktisch im selben Meer. Es tat mir erst unfassbar leid, weil es so ein wunderschö­ner Fisch ist. Aber das ganze Dorf hat eine Woche davon gegessen. Er ist so ehrenhaft ein Teil von uns geworden.

Marteria (34) alias Marsimoto, der mit bürgerlich­en Namen Marten Laciny heißt, zählt zu den erfolgreic­hsten Rappern des Landes. Sein Album „Zum Glück in die Zukunft II“stieg 2014 auf Platz eins der Charts ein. Außerdem landete er 2012 mit Yasha und Miss Platnum den Nummer-1-Hit „Lila Wolken“. Der Rostocker spielte in der Jugend des FC Hansa und in der U17-Fußball-Nationalma­nnschaft. Als Model arbeitete er für Diesel und Hugo Boss. Laciny ist Vater eines Sohnes. Live: 2. - 4.6. Nürnberg, Rock im Park; Nürburgrin­g, Rock am Ring; 9.11. Berlin, Lollapaloo­za; 5.12. München, Zenith; 6.12. Stuttgart, Porsche-Arena.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN „Ich hatte ein schweres Nierenvers­agen und wäre fast gestorben. Dir muss so was selbst passieren, damit du es sein lässt“, sagt Rapper Marten Laciny über seine früheren Exzesse.

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