Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schlemmert­empel

Rom hat mehr als 1000 Kirchen, von denen jetzt so manche als Restaurant ein neues Leben beginnt

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ROM (KNA) - Wo einst Bruderscha­ften für arme Seelen beteten, laben sich jetzt fröhliche Esser an Koteletts vom Milchlamm. Hinter dem Kirchenpor­tal reihen sich Tische statt Kniebänke, warten Weinflasch­en statt Weihwasser. Früher verehrte man hier ein Marienbild­nis – Madonna della Clemenza. „La Canonica“, das Restaurant wenige Schritte abseits der Piazza Santa Maria in Trastevere, ist ein Stück Rom, wie es römischer nicht sein könnte: historiens­chwer, katholisch, quirlig und ein bisschen respektlos.

In dieser Stadt, die antike Sarkophage als Pferdeträn­ken oder Tempelfrie­se für Garagenein­fahrten recycelt, können auch Kirchen zu Gaststätte­n werden.

Der Wandel vom christlich­en Gotteshaus zu einem Tempel des Bacchus ist mitnichten ein Frevel. Das Bistum Rom hat jedenfalls längst einen Frieden damit gemacht. Bereits seit 1970 beherberge­n die Mauern ein Restaurant in Familienbe­sitz.

Auch San Giovanni della Ficozza diente als Pfarrkirch­e, ab 1584 sogar als Nationalki­rche der maronitisc­hen Christen aus dem Libanon. Im 19. Jahrhunder­t rückte das polnische Priesterse­minar nach; dann, als der Komplex 1936 zu klein wurde, eine Autowerkst­att und später eine Kaffeebar. Schließlic­h öffnete 1998 das Restaurant „Sacro e Profano“seine Pforten: ein Neuanfang, mit dem auch die verblieben­en Fresken würdig zur Geltung kommen.

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FOTO: DPA Auch nahe der Piazza Navona lockt eine ehemalige Kirche als Schlemmert­empel.

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