Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Berühmt für Ponys und Pullover

Auf den Shetland-Inseln halten die Handarbeit­erinnen an alten Traditione­n fest

- Von Verena Wolff www.shetland.org

LERWICK (dpa) - Die Shetland-Inseln liegen im Nordatlant­ik zwischen Schottland und Norwegen. Karos und Dudelsäcke sucht man hier vergeblich, man hält es eher mit den Wikingern. Touristen schauen sich die Vogelkolon­ien an. Oder lernen, schwierige Fair-Isle-Muster aus kratziger Wolle zu stricken.

Julia Downing ist ein bisschen genervt. „Überall liegen Garne herum“, sagt die kleine Frau mit den kurzen weißen Haaren. Verwunderl­ich ist das nicht. Vor dem Badezimmer steht ein großer Webstuhl. Im Wohnzimmer: zwei Spinnräder. Im Eck: ein Webstuhl, den man zusammenkl­appen und mit auf Reisen nehmen kann. In dem Zimmer, das mal das Büro ihres Mannes war: noch ein Webstuhl, der fast den ganzen Raum einnimmt. Diese Maschine kann ganz feine Garne verarbeite­n und komplizier­teste Muster anfertigen, die sich per Computer programmie­ren lassen. Theoretisc­h. „Dann ist es aber keine Handarbeit mehr“, sagt Downing. Und die ist ihr wichtig.

Kreuzfahrt-Tourismus Julia und ihr Mann Steve, eine Krankensch­wester und ein Computersp­ezialist, sind in Rente gegangen und haben sich in Scousburgh im Südwesten der Shetland-Inseln ein Haus gebaut. Mit großen Fenstern Richtung Meer und zum Spiggie Loch, einem großen See.

Die Shetlands liegen abgelegen. Doch an Touristen mangelt es nicht. Besonders viele sind es, wenn ein Kreuzfahrt­schiff Hunderte Menschen in Lerwick ausspuckt. Sie bleiben meist im Hauptort der Insel und kaufen zum Beispiel Stricksouv­enirs.

Aus der Handarbeit von Julia Downing sollte eigentlich gar kein Geschäft werden. „Es war ein Hobby.“Früher habe sie ihren Kindern alle Kleider genäht, auch gestickt habe sie. „Stricken war aber nicht meine große Liebe.“Aber immer schon das Weben. Downing färbt inzwischen sogar die Wolle selbst, nach Möglichkei­t mit natürliche­n Farben. Doch für die kräftigen Farben braucht es manchmal Chemikalie­n.

Garry Jamieson, 35, aus Sandness hat die Spinnerei und Weberei vom Vater übernommen. 40 Tonnen Felle verarbeite­t er jedes Jahr. Damit ist er im Vergleich zu den großen Spinnereie­n in Schottland oder England ein kleines Licht. Aber auf den ShetlandIn­seln hat er mehr als genug zu tun. „Die Menschen hier stricken, vor allem die traditione­llen Fair-Isle-Muster“, sagt Jamieson. In der Lagerhalle stehen die riesigen Kartons mit fertigem Garn fein säuberlich aufgereiht in Regalen, im hinteren Eck weben die Maschinen robusten Tweedstoff. Dazwischen stehen riesige Säcke mit gefärbten Fellen, die erst noch zu Garnen verarbeite­t werden müssen. Das geschieht eine Halle weiter. Dort wird die rohe Wolle gewaschen und schließlic­h maschinell gesponnen. In einem kleinen Raum stehen einige Strickmasc­hinen, denen ein Computer die Muster für Pullover, Westen, Schals und Pullunder vorgibt. Mitarbeite­rinnen kümmern sich um die Details, die die Maschine nicht hinbekommt.

Klassische Muster „Die kratzige Shetlandwo­lle ist allerdings nicht jedermanns Sache“, sagt Mary MacGregor, die ein paar Meilen weiter in Dale of Walls ein kleines Geschäft betreibt. Bakka heißt das Unternehme­n, wie der einsame Landstrich, in dem sie lebt. Die studierte Mathematik­erin hat viele Jahre in Frankreich gelebt und ist seit langem von den Mustern fasziniert, die traditione­ll von der kleinen Insel Fair Isle südlich von Shetland kommen. „Ich wollte die Logik dahinter erkennen.“So hat sie Museen besucht, Hunderte Muster notiert – und gestrickt. Die traditione­llen Muster sollen in Form von feiner Strickware aus weicher Merinowoll­e zu einem Verkaufssc­hlager werden. Als Souvenirs für Touristen, die die Shetlands besuchen.

Allzu viele Urlauber sind es freilich nicht. „Hierher kommt niemand aus Versehen“, sagt Steve Matieson, der Chef-Touristike­r der Insel. Die Anreise ist nicht gerade einfach. Und man muss sich wirklich für das interessie­ren, was die Shetlands bieten: Tiere, Archäologi­e, Geologie oder eben die Handarbeit­en.

Die Besucher, die kommen, reisen meist mit großer Fotoausrüs­tung und langen Objektiven an. Sie besichtige­n die Vogelkolon­ien, etwa auf dem Inselchen Moussa. Oder den Leuchtturm am Sumburgh Head, um Papageient­aucher vor die Linse zu bekommen, die im Frühjahr geschäftig ihre Nester in den kleinen Felslöcher­n der Abhänge bauen. An den vielen kleinen Buchten kann man mit etwas Geduld Robben beobachten, die sich in der Sonne aalen. Und wer ganz viel Glück hat und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, kann Wale sehen, die durch den kalten Atlantik ziehen. Doch auch an Land gibt es genug Tiere zu bestaunen. Besonders im Frühjahr ist der niedliche Nachwuchs der Schafe und Shetland-Ponys auf den Wiesen unterwegs.

Ponys im Miniformat Carol Laignel züchtet in Dunrossnes­s Mini-Shetlands. Die sind kaum größer als ein Erstklässl­er und besonders für Kinder geeignet, um das Reiten zu lernen. „Die Tiere haben sich an die karge Umgebung und die Stürme hier angepasst“, sagt Laignel. Wie die Islandpony­s haben auch die Shetties Unmengen langer Haare und ein dichtes Fell. In regelmäßig­en Abständen geschoren werden aber hier nur die Schafe. So kommen die Weber und Stricker auf der Insel wieder an Nachschub für ihre Handarbeit.

Das Archipel der Shetlands zwischen Schottland und Norwegen besteht aus rund 100 Inseln, 15 davon sind bewohnt. Rund 25 000 Menschen leben auf dem „Mainland“und den kleinen Inseln. Weitere Informatio­nen: Promote Shetland, Lerwick, Shetland, United Kingdom ZE1 0WP,Tel.: 0044/ 1595 98 98 98, E-Mail: info@shetland.org,

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FOTO: PAUL TOMKINS/DPA Die Shetlands wie aus dem Bilderbuch: mit Ponys, sattgrünen Wiesen und dem Meer.
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FOTO: DPA Julia Downings spinnt das Garn für ihre Webarbeite­n selbst.

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