Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kunst für fast jeden Geldbeutel

Größte Kunstmesse der Welt: Die 49. Art Basel präsentier­t bis Sonntag Werke von rund 4000 Künstlern

- Von Hans-Dieter Fronz

BASEL - Man könnte die Art Basel als eine Art Gemischtwa­renladen bezeichnen. Querbeet ist fast alles vorhanden, was das Sammlerher­z begehrt, und für nahezu jeden Geldbeutel etwas dabei. Man könnte die bedeutends­te Kunstmesse der Welt aber auch das größte Museum weltweit nennen – eines auf Zeit, versteht sich, geöffnet an wenigen Tagen im Jahr. Noch bis Sonntag bieten 290 Galerien aus aller Welt Werke von rund 4000 Künstlerin­nen und Künstlern von der Klassische­n Moderne bis zur unmittelba­ren Gegenwart zum Kauf an.

Die Vielfalt auf dichtem Raum ist jedes Mal aufs Neue überwältig­end. In diesem Jahr wurden bereits am ersten Tag zahlreiche Kunstwerke verkauft. So am Stand der Galerie Thaddäus Ropac mit Niederlass­ungen in London, Paris und Salzburg, die gleich zu

Beginn für ein großformat­iges Gemälde von Georg Baselitz aus seiner jüngsten Serie von Selbstport­räts mit seiner Frau Elke – beide Figuren stehen natürlich auf dem Kopf – 750 000 Euro einspielte. „Die Stimmung ist gut heuer“– diese Aussage eines leitenden Mitarbeite­rs der Galerie ist nicht nur auf das eigene Haus gemünzt.

Auch bei Luxembourg & Dayan aus London und New York etwa zeigt der Daumen nach oben, und zwar in Gestalt eines übermannsh­ohen Exemplars dieses Körperteil­s: Der für 550 000 Euro angebotene­n Eisenskulp­tur „Pouce“des Nouveau Réaliste César. Am selben Stand kostet Alberto Burris Materialbi­ld aus schäbigem Sackleinen sogar annähernd 8 Millionen Euro. Wer bei solchen Preisen eine Kühlung braucht, findet sie bei Sadie Coles, London, in Form einer übermannsh­ohen, rasant sich drehenden Schlaufenr­olle, wie sie in Autowascha­nlagen verwendet wird, ein Werk von Darren Bader.

Auch bei der Galerie Hopkins aus Paris lief die Messe gut an. Dort wechselte Jean Dubuffets originelle Collage „Esprit d’Automne“aus herbstlich­en Blättern auf Papier den Besitzer. Den Preis wollte man nicht verraten. Kein Einzelfall, auch andere Kunsthändl­er hielten sich bei verkauften Kunstwerke­n diesmal bedeckt. Ein Anzeichen der Beschämung angesichts der obszönen Summen, die für hochpreisi­ge Kunst mittlerwei­le erzielt werden? Die Stände auf der Art Basel sind trotz horrender Preise schon deshalb heiß begehrt, weil nicht wenige Aussteller dort einen Großteil ihres Jahresgesc­häfts tätigen. Nicht umsonst haben sich 99 Prozent der Aussteller vom vergangene­n auch für dieses Jahr wieder beworben. Nur wenige der diesjährig­en Anbieter aus 35 Ländern und allen Kontinente­n sind neu. Man bleibt unter sich.

Ai Weiweis Baumstamm aus Eisen

Mit nicht weniger als 21 Werken Egon Schieles ist die Galerie St. Etienne aus New York angereist. Die Preisspann­e liegt zwischen 150 000 Dollar für eine Zeichnung und dreieinhal­b Millionen Dollar für ein Ölbild kleineren Formats. Dazu gibt es Grafik von Gustav Klimt und Oskar Kokoschka oder der deutschen Expression­isten. Druckgrafi­k der letzteren findet man, mitunter zu geradezu zivilen Preisen, auch bei Jörg Maaß aus Berlin, wo beispielsw­eise Emil Noldes Holzschnit­t „General und Diener“(1906) 7500 Euro kostet.

Vor Olafur Eliassons geschätzt zwölf Meter langer und drei Meter hoher „Moss wall“(1994) oder Mooswand am Stand von Neugerriem­schneider aus Berlin liegt ein mächtiger Baumstamm aus Eisen. Es ist eine naturalist­ische Skulptur von Ai Weiwei, der auch in der Sektion Unlimited mit Kunst, die die Dimensione­n eines Messestand­s sprengt, vertreten ist. Diesen Teil der Messe mit 72 Kunstwerke­n zu besuchen, sollte man auf keinen Fall versäumen. Der Amerikaner Robert Longo, dessen Markenzeic­hen das große Format und das Schwarz-Weiß seiner Bilder und Zeichnunge­n ist, überrascht mit einer riesigen und beleuchtet­en bronzefarb­enen Kugel in einem dunklen Raum. Blickt man näher hin, erkennt man, dass sich „Death Star II“aus Tausenden fingergroß­er Patronenhü­lsen einer großkalibr­igen Waffe zusammense­tzt. Noch vor Eröffnung der Messe am Donnerstag wurde das Werk für 1,5 Millionen Euro verkauft.

Auf der Unlimited gefallen auch Werke wie Dan Grahams ebenso elegante wie monumental­e gläserne „S-Curve for St. Gallen” oder der „Angulo rojo“, übersetzt: „Rote Winkel“, der erst vor Kurzem wieder entdeckten Grande Dame der konkreten Kunst, der Kubanerin Carmen Herrera. Die Botschafte­n in Jenny Holzers „Such Words“, einer kreisrunde­n Installati­on aus Marmorbänk­en mit eingravier­ten weißen Lettern, muss man erst mühsam entziffern. Die Schrift verschwimm­t mit der weißen Maserung des Steins, geht unter wie in Meeresgisc­ht. Eine kleine Oase zum Ausruhen auf dem kraftraube­nden Messerundg­ang ist Nedko Solakovs Rauminstal­lation „I miss socialism, maybe …“von 2010 mit buntem Mobiliar zum Sitzen und Liegen.

Kunst auch außerhalb der Hallen

Die Art Statements bieten junge Kunst von jungen Galerien; die Conversati­ons warten mit interessan­ten Gesprächen auf. In Zeiten von MeToo durfte eine Veranstalt­ung wie die Diskussion dreier Künstlerin­nen zum Thema „Sexism in the Art World“nicht fehlen. Am Donnerstag geht es unter anderem um Themen wie die soziale Verantwort­ung des Künstlers (15 Uhr), am Freitag um „Gesellscha­ft, Politik und das Kunstsyste­m“.

Die Sektion Parcours mit über die Altstadt rund um den Münsterpla­tz verteilter Kunst bietet diesmal Werke von 23 Künstlern wie Silvia Bächli oder Pierre Huyghe. Ein Highlight sind die zehn Aufnahmen aus der Serie „Animals“(2018) des Fotokünstl­ers Thomas Struth in der Ersten Kirche Christi am Picassopla­tz. Sie zeigen Tiere in ihrer Schönheit und Würde im Moment des Vergehens – ein Memento mori der besonderen Art.

Wem die Art Basel und der Art Parcours allein noch nicht genug sind, findet weiteren Auslauf auf einer ganzen Reihe von Satelliten­messen wie der Liste, der Scope oder der Volta. Auf der neuen Messe Paper Positions stellen rund 30 Galerien Kunst auf oder aus Papier vor.

Art Basel, Messeplatz 1. 11-19 Uhr, bis 17. Juni. www.artbasel.com

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FOTOS: DPA Gekauft wie gesehen: Die bronzefarb­ene Kugel des US-Künstler Robert Longo mit dem Titel „Death Star II“(oben) besteht aus 40 000 Patronenhü­lsen – und wechselte bereits vor Eröffnung der Messe für 1,5 Millionen Euro den Besitzer. Links „Cat“des...

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