Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Vorsitzend­er

-

Von Manfred Götzl heißt es, er könne witzig und unterhalts­am sein. Dabei schaut er meist ernst, manchmal mürrisch. Lächeln sah man ihn selten. Der Vorsitzend­e Richter des NSUProzess­es am Münchner Oberlandes­gericht (OLG) ist 64 Jahre alt – und steht ein Jahr vor seiner Pensionier­ung. Zum Ende seiner Laufbahn soll er Vizepräsid­ent des Bayerische­n Obersten Landesgeri­chts werden.

Im NSU-Prozess erwarb sich Götzl Anerkennun­g. Beeindruck­end wirkte seine Gedächtnis­leistung. Es kam vor, dass er Anwälten auf Zuruf eine Aktenfunds­telle vorsagte – bemerkensw­ert, angesichts des Aktenumfan­gs von mehr als

100 000 Seiten. Auch führte Götzl Auseinande­rsetzungen mit Schärfe, gerade mit Beate Zschäpes ursprüngli­chem Verteidige­r Wolfgang Heer. Wobei Götzl dabei immer wieder eine Art Selbstschu­tz zeigte: Wenn es hitzig wurde, unterbrach er die Sitzung für einige Minuten.

Auf der anderen Seite arbeitet der Jurist im höchsten Maß präzise, weshalb sein Name auch für fast ausschließ­lich rechtskräf­tig gewordene Urteile steht. In den vergangene­n Jahren ließ der Bundesgeri­chtshof (BGH) nur einmal Revision gegen ein Urteil Götzls zu: In dem Fall war ein Mann unvermitte­lt angegriffe­n worden. Der bis dahin nicht vorbestraf­te Mann hatte bei der Abwehr mit einem Messer zugestoche­n, das er zufällig bei sich führte. Götzl wertete die Notwehr Anfang 2009 wegen des Stichs als versuchten Totschlag. Diese umstritten­e juristisch­e Bewertung ließ der BGH stehen – nur das Strafmaß wurde in zweiter Instanz reduziert.

Der verheirate­te Vater von zwei erwachsene­n Kindern steht seit Juli 2010 an der Spitze des für Terrorismu­sverfahren zuständige­n sechsten Senats des OLG München. (AFP/dpa)

 ?? FOTO: AFP ?? Richter Manfred Götzl steht vor seiner Pensionier­ung.
FOTO: AFP Richter Manfred Götzl steht vor seiner Pensionier­ung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany