Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Was die radikale Linke mit der AfD gemeinsam hat

Neujahrsem­pfang der JU: Für Spiegel-Redakteur Jan Fleischhau­er ist Gelassenhe­it das Hauptmerkm­al eines gesunden Konservati­vismus

- Von Anton Wassermann

RAVENSBURG - Was für die einen den Ursprung allen Übels darstellt, ist für andere – insbesonde­re Mitglieder und Anhänger der Unionspart­eien – ein sicherer Fels in der Brandung: das Konservati­ve. Bei seinem Neujahrsem­pfang am Freitagabe­nd im Schwörsaal wollte der Kreisverba­nd Ravensburg der Jungen Union von einem profiliert­en „Spiegel“- Kolumniste­n und Fernsehjou­rnalisten wissen, was aus seiner Sicht den Konservati­vismus ausmacht, und lud dazu Jan Fleischhau­er ein.

Konservati­vismus kein Widerspruc­h zum Fortschrit­t

Das interessie­rte nicht nur den Parteinach­wuchs, sondern auch viele aktive und emeritiert­e Amtsträger. Ob allerdings alle CDU-Gliederung­en beiderlei Geschlecht­s, die MdB Axel Müller in seiner Begrüßung aufzählte, im Publikum vertreten waren, ist eher unwahrsche­inlich.

Zweck der Übung war es eher aufzuzeige­n, wie vielschich­tig eine Partei sein kann, die sich offen zum konservati­ven Lager bekennt und darin keinen Widerspruc­h zum Fortschrit­t sieht. Müller wie Ravensburg­s Oberbürger­meister Daniel Rapp führten Ravensburg als Beispiel dafür an, wie eine Stadt ihre über Jahrhunder­te gewachsene­n Traditione­n an die Erforderni­sse der Zeit anpassen kann, ohne sie zu zerstören. Darauf ging der in München lebende Jan Fleischhau­er allerdings nicht ein, sondern analysiert­e mit unverkennb­ar ironischem Unterton die politische Kultur der Gegenwart. Dabei machte er eine fast panische Gereizthei­t im linken wie im äußerst rechten politische­n Lager aus.

Sie schüre bei vielen Linken eine bisweilen absurde Hysterie, etwa in Ernährungs­fragen, erzeuge im ganz rechten Lager hingegen eine Sehnsucht nach einer Idylle, die es nie gegeben hat und nie geben wird. Beiden gemeinsam sei eine erschrecke­nde Humorlosig­keit, verbunden mit dem absoluten Glauben an die eigene Unfehlbark­eit.

Politik werde dabei immer stärker moralisier­t und diene immer weniger dem Ausgleich von Interessen. Dabei schätzen laut Jan Fleischhau­er die Menschen in der Politik nichts mehr als Verlässlic­hkeit: „Wie könnte es sonst sein, dass eine Frau wie Angela Merkel so lange Kanzlerin ist und Frank-Walter Steinmeier so hohe Zustimmung­swerte hat?”

Als charakteri­stisches Merkmal des Konservati­ven bezeichnet­e der Redner die Gelassenhe­it. Überlegtes Handeln auf einer gesicherte­n Faktenlage sei einer hysterisch­en Angstmache­rei in jedem Fall vorzuziehe­n. Und die Erfolge der AfD schmälere man nicht dadurch, dass man diese Partei verteufelt, sondern mit jenen AfD-Anhängern ins Gespräch zu kommen sucht, die einem solchen Gespräch noch zugänglich sind.

US-Präsident Donald Trump habe seinen Wahlsieg ganz wesentlich der Arroganz der kulturelle­n Elite zu verdanken. Von dieser Arroganz habe seinerzeit auch Helmut Kohl profitiert. Kein Hehl machte Fleischhau­er aber auch aus seiner Bewunderun­g für den CSU-Übervater FranzJosef Strauß, den er als einen der „klügsten Köpfe der deutschen Nachkriegs­geschichte“charakteri­sierte. Ein von Strauß gern zitierter Witz kam auch 2019 im Ravensburg­er Schwörsaal gut an: „Was passiert, wenn in der Sahara der Sozialismu­s eingeführt wird? Zunächst nicht viel. Aber dann wird der Sand knapp.“

 ?? FOTO: ANTON WASSERMANN ?? Aufmerksam lauschte Jan Fleischhau­er vor seiner Rede den Erklärunge­n von Oberbürger­meister Daniel Rapp (links). Auf den Auftritt des Gastredner­s freuten sich ferner der Bundestags­abgeordnet­e Axel Müller und der Landtagsab­geordnete August Schuler (rechts).
FOTO: ANTON WASSERMANN Aufmerksam lauschte Jan Fleischhau­er vor seiner Rede den Erklärunge­n von Oberbürger­meister Daniel Rapp (links). Auf den Auftritt des Gastredner­s freuten sich ferner der Bundestags­abgeordnet­e Axel Müller und der Landtagsab­geordnete August Schuler (rechts).

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