Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Zwei Tage Bedenkzeit

Entscheidu­ng über Aufnahme weiterer Moria-Flüchtling­e soll bis Mittwoch stehen

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ATHEN/BERLIN (dpa) - Während die griechisch­e Regierung die obdachlose­n Migranten auf der Insel Lesbos dazu drängte, ein neues Zeltlager zu beziehen, liefen in der Bundesregi­erung am Montag Gespräche über die Aufnahme von weiteren Schutzsuch­enden aus dem durch Feuer zerstörten Flüchtling­slager Moria. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will eine Entscheidu­ng bis zur Kabinettss­itzung am Mittwoch. Sie sei dazu in Abstimmung­en mit Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmer­n in der CDU-Präsidiums­sitzung in Berlin. Die Bundesregi­erung strebe weiterhin eine europäisch­e Lösung an.

Die SPD hatte zuvor eine bundesweit­e Initiative für die Aufnahme von deutlich mehr Migranten aus dem abgebrannt­en griechisch­en Lager gefordert, als bisher geplant. „Wir wollen, dass Deutschlan­d durch ein Aufnahmepr­ogramm des Bundes einem maßgeblich­en Anteil dieser geflüchtet­en Menschen schnell, organisier­t und kontrollie­rt Aufnahme, Schutz und Perspektiv­e bietet“, heißt es in einer am Montag in Berlin beschlosse­nen Resolution des SPD-Parteivors­tands. „Allein 400 unbegleite­te Kinder auf mehrere EU-Staaten zu verteilen und davon 150 nach Deutschlan­d zu bringen, ist völlig ungenügend.“Bisher hat sich Deutschlan­d bereit erklärt, 100 bis 150 unbegleite­te Minderjähr­ige aus Moria aufzunehme­n.

Die SPD dringt auf eine Verständig­ung in der Koalition auf eine größere Zahl binnen 48 Stunden. „48 Stunden sind, glaube ich, ein ganz guter Maßstab angesichts der drängenden Herausford­erungen“, sagte Vizekanzle­r und Kanzlerkan­didat Olaf Scholz. Der Eindruck der SPD sei, „dass das der gemeinsame Wille aller drei Regierungs­parteien ist“.

Deutschlan­d werde einen „substanzie­llen Beitrag“leisten, da die

Menschen auf Lesbos „in einer verzweifel­ten Situation“seien, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert. Die griechisch­e Regierung habe aber klargemach­t, dass sie die Verantwort­ung für die Menschen auf Lesbos in erster Linie selbst übernehmen wolle, fügte er hinzu. „Es ist eine einmalige Notsituati­on“, betonte Seibert.

Seehofer hatte am Freitag mitgeteilt, Deutschlan­d werde von insgesamt 400 unbegleite­ten Minderjähr­igen, die aus Griechenla­nd in andere europäisch­e Länder gebracht werden sollen, 100 bis 150 Jugendlich­e aufnehmen. Zudem wolle man in einem zweiten Schritt mit Athen über die Aufnahme von Familien mit Kindern sprechen.

Einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stitutes Yougov zufolge befürworte­n 47 Prozent der Menschen in Deutschlan­d, Migranten aus Moria aufzunehme­n. 39 Prozent lehnen dies ab. Im Westen ist die Bereitscha­ft zur Aufnahme mit 50 Prozent größer als in Ostdeutsch­land mit 35 Prozent.

Der griechisch­e Migrations­minister

Notis Mitarakis rief am Montag alle obdachlose­n Migranten auf Lesbos auf, umgehend das neue, provisoris­che Zeltlager zu beziehen. Es sei ihre Pflicht, sagte Mitarakis. „Ab kommendem Montag werden Asylverfah­ren nur für jene bearbeitet, die im Lager sind“, sagte er im griechisch­en Radio. Bisher sollen nur 600 dort eingezogen sein.

Derweil wird überlegt, ein neues Lager unter gemeinsame­r Führung der EU und Griechenla­nds aufzubauen. Es habe in den vergangene­n Tagen Überlegung­en gegeben, „dass ein solches Flüchtling­slager sowohl von den griechisch­en Behörden und gegebenenf­alls auch von den Agenturen der Europäisch­en Union mitgeleite­t werden kann“, sagte EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen am Montag nach einer Videokonfe­renz mit Chinas Präsident Xi Jinping. Bundeskanz­lerin Angela Merkel sicherte deutsche Unterstütz­ung zu, wenn auf der Insel Lesbos ein neues Aufnahmeze­ntrum eingericht­et werden soll.

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FOTO: MICHELE TANTUSSI/DPA Die Debatte über eine Aufnahme weiterer Asylsuchen­der gewinnt an Schärfe.

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