Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Mitreden und Zubuttern
Kreditkunden wissen es: Man muss sich ziemlich „nackig“machen, sein Vermögen offenlegen und seine Einkünfte auflisten, um einen Kredit zu bekommen.
Auf volkswirtschaftlicher Ebene scheint das so nicht zu gelten. Deutschland exportiert seit Jahrzehnten weitaus mehr, als es einführt und macht so seine Handelspartner zu Schuldnern. Das wird oft und hart kritisiert. Von Donald Trump und zuletzt von Christine Lagarde. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds klagt über den hohen Exportüberschuss der deutschen Wirtschaft und drängt die Bundesregierung einzulenken, Milliarden in die Hand zu nehmen und kräftig zu investieren.
Doch der Exportüberschuss ist durch gute Produkte und hohe Wettbewerbsfähigkeit verdient. „Made in Germany“hat noch immer nichts an seiner Attraktivität eingebüßt. Zudem fließt durch die Auslandsurlaube deutscher Touristen und Investitionen im Ausland auch viel Geld vom „Exportweltmeister“zurück.
Als Investor und als europäischer Partner darf Deutschland auch darauf dringen, dass die Partnerländer ihr Wettbewerbsprofil schärfen: Es muss nicht zusehen, dass Investitionen in Griechenland wegen eines fehlenden Grundstückskatasters unterbleiben. Oder dass sich Frankreich erst unter einem möglichen Präsidenten Emmanuel Macron daran macht, die Gemütlichkeit der 35Stunden-Woche zurückzudrängen und endlich die überalterte Verwaltung der Rentenversicherung schleift.
So viel Mitreden darf in der Gemeinschaft von EU und Eurozone sein. Aber Bereitschaft zum Zubuttern muss auch da sein, wenn es darum geht, die Handelspartner – vor allem im nahen Europa – aus Schieflagen herauszuboxen. Notfalls auf Forderungen zu verzichten, um die Kundschaft zahlungsfähig zu halten, mag etwas Perverses an sich haben. Aber das ist die Kehrseite des „Geschäftsmodells Deutschland“. Sie zu erdulden und mit konstruktiver Kritik am Kunden zu mildern, hilft aber allemal mehr, als womöglich Grenzen zu schließen.