Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Der neue Berlusconi präsentiert sich als Retter in der Not
Mit 80 Jahren will Silvio Berlusconi eine neue politische Laufbahn beginnen. Auf den Resten seiner alten Politkarriere, aber mit ganz neuen Vorsätzen und Zielen. Der Medienzar, Multimilliardär und mehrfache italienische Regierungschef, der vor einigen Jahren in einem zur Legende gewordenen Skandalsumpf namens Bunga-Bunga um käufliche Damen versunken war, präsentiert sich geläutert, neu geliftet und mit einer frischen Partnerin, die gerade mal halb so alt ist wie er.
Der Gründer und unbestrittene Chef der Partei Forza Italia, die noch vor Kurzem aufgrund hoher Schulden vor dem finanziellen Bankrott stand, will nicht mehr die Alleinherrschaft anstreben. Er weiß genau, dass er mit nur zehn Prozent der Wählerstimmen, so aktuelle Umfragen, politisch allein nicht viel erreichen kann.
Berlusconi präsentiert sich als Einigungsfigur aller italienischen Mitte-Rechts-Parteien, als Retter in der Not vor der drohenden Gefahr einer Regierungsübernahme durch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) des Ex-Komikers Beppe Grillo. Umfragen sehen die M5S als derzeit stärkste Partei Italiens. Selbst wenn sie bei den anstehenden Wahlen im Herbst oder im Jahr 2018 nicht die Mehrheit erlangt, könnte es zu einer Form der Koalition mit der rechten, euro- und ausländerfeindlichen Partei Lega Nord kommen. Ein Horrorszenarium nicht nur für die Sozialdemokraten von Matteo Renzi, sondern auch für Silvio Berlusconi und alle anderen Mitte-Rechts-Parteien.
Politische Beobachter wie der Journalist und Gründer der Tageszeitung „La Repubblica“, Eugenio Scalfari, schließen deshalb eine Zweckehe von Renzis Sozialdemokraten mit Berlusconis Forza Italia nicht aus. Möglich wäre auch, dass der Medienzar als Führer des MitteRechts-Lagers die Regierungsmacht anstrebt. Ob die Lega Nord mitmachen würde, ist unklar. Ohne die Lega Nord mit ihrem am Wahlprogramm von Le Pens Front National ausgerichtetem Kurs könnte Berlusconi für viele Italiener wieder wählbar werden.
Fast ein „elder statesman“
„Im Gegensatz zu Grillo und anderen Personen der M5S“, erklärte sogar der Kommunist Fausto Bertinotti am vergangenen Dienstag, „wirkt Berlusconi fast schon wie ein ‚elder statesman‘, wie ein angesehener Staatsmann“.
Das neue Image Berlusconis, den der italienische Starregisseur Nanni Moretti 2006 in seinem satirischen Film „Il Caimano“als skrupellosen, brutalen und sexsüchtigen Politiker aufs Korn nahm, ist das Resultat einer langen Läuterung. Nach diversen Sexskandalen um orgiastische Partys in seinem Schloss bei Mailand mit Dutzenden von jungen Frauen, darunter auch die damals minderjährige Ruby Rubacuore, und Prozessen wegen des Verdachts der Anstiftung zur Prostitution, wurde es still um ihn.
Seine neue Partnerin scheint eine positive Wirkung auf den Lebemann zu haben, der sich heute vor allem als Tierliebhaber und Vegetarier präsentiert. Aber auch als Familienmensch, als aufrechter Konservativer, der die Nähe zu Angela Merkel sucht und die EU verteidigt.
In dieser Rolle könnte Silvio Berlusconi durchaus überzeugen. Ein Bündnis aus Sozialdemokraten und der Forza Italia könnte außerdem dazu dienen, Italiens Verbleib in der EU zu garantieren und die Mitgliedschaft im Euro nicht aufs Spiel zu setzen.