Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Überholte Vorstellungen
Leserbrief zum Interview mit Udo Pollmer „Essen ist längst angstbesetzt“(12.4.): Ein verspäteter Aprilscherz? Alternative Wahrheit? Im Stile eines Erich Nyffenegger wird der 62-jährige Udo Pollmer als sympathische, lustige Person mit „angemessenem Bauchumfang“beschrieben, der in einem spätmittelalterlichen Schloss wohnt und gerne speist. So weit, so gut.
Was dann folgt, ist eine Orgie an definitiv überholten, althergebrachten Vorstellungen von „gesunder“Ernährung: Lob von tierischem Fett, Wurstsalat gesünder als Kopfsalat, Pommes frites besser als Pellkartoffeln, Essen nach Instinkt, Zucker sei ein pflanzliches Naturprodukt, Nutztiere leiden während der Haltung nicht, sie bekommen während des Schlachtvorganges nichts mit, Smoothies taugen bestenfalls für einen Leberschaden, Vegetarismus sei eine unethische Lebensweise und so weiter.
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Deutsche übergewichtig sind, immer mehr Menschen bereits ab dem 40. Lebensjahr regelmäßig Medikamente wie Blutverdünner und Blutdruck- sowie Cholesterinsenker einnehmen, immer mehr Zuckerkranke schon in jungen Jahren registriert werden, Herzinfarkt, Krebs und Demenz weiter auf dem Vormarsch sind, mutet es schon grotesk an, wenn ein sogenannter Ernährungsexperte, offensichtlich mit mangelnder Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion ausgestattet, selbstgerecht solchen verantwortungslosen Unfug verbreitet.
Seriöse Gehirnforscher warnen seit Jahren vor zu viel Bauchfett, weil der dadurch entstehende Hormoncocktail unkontrollierbare Folgen auch für das Gehirn hat: Leptinresistenz, gestörter b-AmyloidStoffwechsel, neuronale Insulinresistenz im Hippocampus. Darüber hinaus wird die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes, eines erhöhten Blutdrucks und einer Arteriosklerose gefördert. Überschüssiges Bauchfett trägt somit in hohem Maße zur Demenzentwicklung bei.
Je höher der Bauchumfang, desto kleiner ist das Erinnerungszentrum im Hippocampus. Es gibt zahlreiche seriöse Studien, die belegen, dass Menschen mit höherem Körperfett ein dramatisch erhöhtes Demenzrisiko haben. Das geflügelte Wort des römischen Dichters Juvenal „mens sana in copore sano“gewinnt in diesem Zusammenhang wieder an Bedeutung: Nur in einem gesunden Körper funktionieren auch die Gehirnfunktionen. Und gesund bedeutet hier möglichst kein Übergewicht. Und wer dies erreichen will, darf sich nicht an die längst überholten Ernährungsempfehlungen eines adipösen Udo Pollmer halten.
Achberg
Wende um 180 Grad
Zum selben Thema: Wer diesen „Fachmann“von früher kennt, sieht gleich, dass da einer um 180 Grad gewendet wurde und er heute das krasse Gegenteil von dem verbreitet, was er früher für richtig hielt (siehe sein Buch „Chemie in Lebensmitteln“von Anfang der 1980er-Jahre).
Kein Wort von den längst erwiesenen und vielfachen gesundheitlichen Vorteile einer pflanzenbasierten Ernährung, kein Wort von den erbärmlichen Zuständen in der deutschen Massentierhaltung, ebenso wenig davon, dass im Durchschnitt zehn Kilogramm pflanzliches Eiweiß – importiert meist aus ehemaligem Regenwald – verfüttert werden, um daraus ein Kilogramm tierisches zu erzeugen. Tierprodukte enthalten ein Vielfaches an Giften und sonstigen Rückständen mehr als pflanzliche und sind ein wesentlicher Faktor für den Welthunger und diverse Krebs- und anderen Erkrankungen.
Und von so etwas wie einer ethischen Mitverantwortung hat er wohl noch nie etwas gehört, oder? Aichstetten
Kirche im Dorf lassen
Zum Artikel „Mia san Opfer“(20.4.): Es ist für uns deutsche Fußballfans zwar bitter, dass wir ab dem Viertelfinale nicht mehr unter den Bewerbern des Champions League-Titels vertreten sind. Nach allem, was über den BVB hereingebrochen ist, kann man dennoch den Hut ziehen, wie sich die Mannschaft gegen das bärenstarke Team aus Monaco aus der Affäre gezogen hat.
Aber von Seiten der Bayern ist es einfach zu billig, alles dem Schiri in die Schuhe zu schieben. Schon beim Hinspiel hatten sie das Glück, dass Manuel Neuer mehrfach in der Schlussphase gegen Ronaldo ein noch höheres Ergebnis für Real verhindert hat. Die Abseitstore in der Verlängerung jetzt beim Hinspiel? Wie viele solcher Tore zugunsten der Bayern fallen in jeder Ligasaison?
Dann der Elfmeter zum 1:0? Den pfeift vielleicht jeder zehnte Schiri. Dann Vidal, warum nimmt ihn der Coach nicht raus, nachdem er schon in der 48. Minute zum Duschen hätte müssen und es von da ab eine Gratwanderung für ihn war. Ja, und das 1:2 durch das Eigentor von Ramos, davor stand Müller mindestens genauso im Abseits wie Ronaldo beim 2:2 und 3:2 . Die Bayern sollten sich an das Champions LeagueFinale 2013 erinnern, als der italienische Schiri weder Ribery in der 13. Minute wegen Tätlichkeit noch Boateng in der 26. Minute wegen Notbremse, in die Kabine schickte. Also man sollte die Kirche im Dorf lassen. Achstetten
Der Fluch der Agenda 2010
Zum Artikel „Plan ,Q’ als Wahlkampfmunition der Sozialdemokraten“(7.3.): Zu Beginn des Jahrhunderts hatte die rot-grüne Bundesregierung unter Schröder mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen den Grundstein zu den Auswüchsen auf dem Arbeitsmarkt und in den Sozialgesetzen gelegt. Leiharbeit, befristete Arbeits- und Werkverträge werden seither von einem Teil der Unternehmen, ja teilweise selbst von der öffentlichen Hand, in schamloser Weise ausgenutzt.
Selbst Leiharbeiter, die in hochprofitablen Unternehmen wie zum Beispiel Daimler beschäftigt werden, sind zum Teil so schlecht bezahlt, dass sie zusätzlich auf Grundsicherung angewiesen sind, um sich und ihre Familien finanziell überhaupt durchzubringen. Für die Betroffenen ist dies entwürdigend und die Gewinne der Unternehmen werden so vom Steuerzahler mitfinanziert.
CDU, CSU und FDP reiben sich noch heute die Hände über die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, einige in der SPD verteidigen sie weiterhin und die Grünen ducken sich einfach weg, lediglich Die Linke wehrt sich zurecht vehement gegen diese Gesetze. Es ist unverzichtbar, dass die Beseitigung der schlimmen Auswüchse dieser neoliberalen Gesetze ein Hauptthema im Bundestagswahlkampf wird!
Rottweil Liebe Leserinnen, liebe Leser, Schwäbische Zeitung Karlstraße 16 88212 Ravensburg Fax-Nr. 0751 / 295599-1499 Leserbriefe@schwaebischezeitung.de