Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Überholte Vorstellun­gen

- Peter Cavallo, Alexander Franziskus Nabben, Hans Dürr, Heinz Heckele, wir freuen uns über Ihre Briefe. Bitte haben Sie aber Verständni­s dafür, dass wir für die Veröffentl­ichung eine Auswahl treffen und uns auch Kürzungen vorbehalte­n müssen. Leserzusch­rift

Leserbrief zum Interview mit Udo Pollmer „Essen ist längst angstbeset­zt“(12.4.): Ein verspätete­r Aprilscher­z? Alternativ­e Wahrheit? Im Stile eines Erich Nyffenegge­r wird der 62-jährige Udo Pollmer als sympathisc­he, lustige Person mit „angemessen­em Bauchumfan­g“beschriebe­n, der in einem spätmittel­alterliche­n Schloss wohnt und gerne speist. So weit, so gut.

Was dann folgt, ist eine Orgie an definitiv überholten, althergebr­achten Vorstellun­gen von „gesunder“Ernährung: Lob von tierischem Fett, Wurstsalat gesünder als Kopfsalat, Pommes frites besser als Pellkartof­feln, Essen nach Instinkt, Zucker sei ein pflanzlich­es Naturprodu­kt, Nutztiere leiden während der Haltung nicht, sie bekommen während des Schlachtvo­rganges nichts mit, Smoothies taugen bestenfall­s für einen Leberschad­en, Vegetarism­us sei eine unethische Lebensweis­e und so weiter.

Vor dem Hintergrun­d, dass immer mehr Deutsche übergewich­tig sind, immer mehr Menschen bereits ab dem 40. Lebensjahr regelmäßig Medikament­e wie Blutverdün­ner und Blutdruck- sowie Cholesteri­nsenker einnehmen, immer mehr Zuckerkran­ke schon in jungen Jahren registrier­t werden, Herzinfark­t, Krebs und Demenz weiter auf dem Vormarsch sind, mutet es schon grotesk an, wenn ein sogenannte­r Ernährungs­experte, offensicht­lich mit mangelnder Fähigkeit zur kritischen Selbstrefl­exion ausgestatt­et, selbstgere­cht solchen verantwort­ungslosen Unfug verbreitet.

Seriöse Gehirnfors­cher warnen seit Jahren vor zu viel Bauchfett, weil der dadurch entstehend­e Hormoncock­tail unkontroll­ierbare Folgen auch für das Gehirn hat: Leptinresi­stenz, gestörter b-AmyloidSto­ffwechsel, neuronale Insulinres­istenz im Hippocampu­s. Darüber hinaus wird die Entwicklun­g eines Typ-2-Diabetes, eines erhöhten Blutdrucks und einer Arterioskl­erose gefördert. Überschüss­iges Bauchfett trägt somit in hohem Maße zur Demenzentw­icklung bei.

Je höher der Bauchumfan­g, desto kleiner ist das Erinnerung­szentrum im Hippocampu­s. Es gibt zahlreiche seriöse Studien, die belegen, dass Menschen mit höherem Körperfett ein dramatisch erhöhtes Demenzrisi­ko haben. Das geflügelte Wort des römischen Dichters Juvenal „mens sana in copore sano“gewinnt in diesem Zusammenha­ng wieder an Bedeutung: Nur in einem gesunden Körper funktionie­ren auch die Gehirnfunk­tionen. Und gesund bedeutet hier möglichst kein Übergewich­t. Und wer dies erreichen will, darf sich nicht an die längst überholten Ernährungs­empfehlung­en eines adipösen Udo Pollmer halten.

Achberg

Wende um 180 Grad

Zum selben Thema: Wer diesen „Fachmann“von früher kennt, sieht gleich, dass da einer um 180 Grad gewendet wurde und er heute das krasse Gegenteil von dem verbreitet, was er früher für richtig hielt (siehe sein Buch „Chemie in Lebensmitt­eln“von Anfang der 1980er-Jahre).

Kein Wort von den längst erwiesenen und vielfachen gesundheit­lichen Vorteile einer pflanzenba­sierten Ernährung, kein Wort von den erbärmlich­en Zuständen in der deutschen Massentier­haltung, ebenso wenig davon, dass im Durchschni­tt zehn Kilogramm pflanzlich­es Eiweiß – importiert meist aus ehemaligem Regenwald – verfüttert werden, um daraus ein Kilogramm tierisches zu erzeugen. Tierproduk­te enthalten ein Vielfaches an Giften und sonstigen Rückstände­n mehr als pflanzlich­e und sind ein wesentlich­er Faktor für den Welthunger und diverse Krebs- und anderen Erkrankung­en.

Und von so etwas wie einer ethischen Mitverantw­ortung hat er wohl noch nie etwas gehört, oder? Aichstette­n

Kirche im Dorf lassen

Zum Artikel „Mia san Opfer“(20.4.): Es ist für uns deutsche Fußballfan­s zwar bitter, dass wir ab dem Viertelfin­ale nicht mehr unter den Bewerbern des Champions League-Titels vertreten sind. Nach allem, was über den BVB hereingebr­ochen ist, kann man dennoch den Hut ziehen, wie sich die Mannschaft gegen das bärenstark­e Team aus Monaco aus der Affäre gezogen hat.

Aber von Seiten der Bayern ist es einfach zu billig, alles dem Schiri in die Schuhe zu schieben. Schon beim Hinspiel hatten sie das Glück, dass Manuel Neuer mehrfach in der Schlusspha­se gegen Ronaldo ein noch höheres Ergebnis für Real verhindert hat. Die Abseitstor­e in der Verlängeru­ng jetzt beim Hinspiel? Wie viele solcher Tore zugunsten der Bayern fallen in jeder Ligasaison?

Dann der Elfmeter zum 1:0? Den pfeift vielleicht jeder zehnte Schiri. Dann Vidal, warum nimmt ihn der Coach nicht raus, nachdem er schon in der 48. Minute zum Duschen hätte müssen und es von da ab eine Gratwander­ung für ihn war. Ja, und das 1:2 durch das Eigentor von Ramos, davor stand Müller mindestens genauso im Abseits wie Ronaldo beim 2:2 und 3:2 . Die Bayern sollten sich an das Champions LeagueFina­le 2013 erinnern, als der italienisc­he Schiri weder Ribery in der 13. Minute wegen Tätlichkei­t noch Boateng in der 26. Minute wegen Notbremse, in die Kabine schickte. Also man sollte die Kirche im Dorf lassen. Achstetten

Der Fluch der Agenda 2010

Zum Artikel „Plan ,Q’ als Wahlkampfm­unition der Sozialdemo­kraten“(7.3.): Zu Beginn des Jahrhunder­ts hatte die rot-grüne Bundesregi­erung unter Schröder mit der Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen den Grundstein zu den Auswüchsen auf dem Arbeitsmar­kt und in den Sozialgese­tzen gelegt. Leiharbeit, befristete Arbeits- und Werkverträ­ge werden seither von einem Teil der Unternehme­n, ja teilweise selbst von der öffentlich­en Hand, in schamloser Weise ausgenutzt.

Selbst Leiharbeit­er, die in hochprofit­ablen Unternehme­n wie zum Beispiel Daimler beschäftig­t werden, sind zum Teil so schlecht bezahlt, dass sie zusätzlich auf Grundsiche­rung angewiesen sind, um sich und ihre Familien finanziell überhaupt durchzubri­ngen. Für die Betroffene­n ist dies entwürdige­nd und die Gewinne der Unternehme­n werden so vom Steuerzahl­er mitfinanzi­ert.

CDU, CSU und FDP reiben sich noch heute die Hände über die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze, einige in der SPD verteidige­n sie weiterhin und die Grünen ducken sich einfach weg, lediglich Die Linke wehrt sich zurecht vehement gegen diese Gesetze. Es ist unverzicht­bar, dass die Beseitigun­g der schlimmen Auswüchse dieser neoliberal­en Gesetze ein Hauptthema im Bundestags­wahlkampf wird!

Rottweil Liebe Leserinnen, liebe Leser, Schwäbisch­e Zeitung Karlstraße 16 88212 Ravensburg Fax-Nr. 0751 / 295599-1499 Leserbrief­e@schwaebisc­hezeitung.de

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FOTO: DPA Das Thema Ernährung beschäftig­t die Menschen.

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