Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
China greift nach den Sternen
Volksrepublik schießt ersten Raumfrachter ins All
(dpa) - China ist dem Bau einer eigenen Raumstation einen großen Schritt näher gekommen. Vom neuen Weltraumbahnhof Wenchang auf der Insel Hainan in Südchina aus brachte am Donnerstag eine Rakete vom Typ „Langer Marsch 7“einen neuen Raumfrachter ins All, der für die Versorgung der geplanten Raumstation notwendig ist. Auf Chinas erstem unbemannten Nachschubflug soll „Tianzhou 1“(Himmlisches Schiff) drei Kopplungs-Manöver mit dem Raumlabor „Tiangong 2“(Himmelspalast) absolvieren, das gegenwärtig die Erde umkreist.
Nur 24 Minuten nachdem die Rakete mit einem langen Feuerschweif am Abendhimmel abgehoben hatte, verkündete das Kontrollzentrum, der Start sei erfolgreich verlaufen. „Tianzhou 1“erreichte problemlos seine Umlaufbahn. Geht alles weiter nach Plan, wird der Raumfrachter Material liefern, Treibstoff nachfüllen und wissenschaftliche Experimente vornehmen. „Ohne einen Raumfrachter kann China keine Raumstation betreiben“, sagte der australische Raumfahrtexperte Morris Jones.
China hat ehrgeizige Pläne. Außer einer Raumstation um 2022 plant die Volksrepublik auch Missionen zum Mond und zum Mars. Sollte die Internationale Raumstation (ISS) wie geplant 2024 ihren Dienst einstellen, wäre China die einzige Nation mit einem Außenposten im All. Mit „Tianzhou 1“wird China das vierte Land, das einen eigenen Raumfrachter hat. Russland besitzt das Cargoschiff „Progress“, Japan den HTVFrachter, während das private USRaumfahrtunternehmen Space X den einzigen wiederverwendbaren Transporter „Dragon“einsetzt. „Der Start verlief sehr gut“, sagte der amerikanische Raumfahrt-Professor John Horack von der Ohio State University dem chinesischen Staatsfernsehen. „Es ist ein wichtiger Baustein für Chinas Raumfahrtprogramm.“
Auch militärische Interessen
Während die USA und andere Länder ihre Raumfahrtprogramme kürzen, holt die junge Raumfahrtnation China mit großen Schritten auf. „China verstärkt den Druck auf die USA, die keinen langfristigen Plan für die bemannte Raumfahrt hat“, sagte der australische Experte Jones. Die Fortschritte der Chinesen böten neue Möglichkeiten für die Deutschen und andere Europäer, die mit Chinas kooperieren.
Chinas Raumfahrtprogramm hat auch militärische Komponenten, was die USA beunruhigt. Der neue Chef des Strategischen Kommandos (Stratcom) und frühere Leiter des Raumprogramms der US-Luftwaffe, General John Hyten, warnte erst im Februar vor der Bedrohung. China habe 2007 versuchsweise einen eigenen Satelliten abgeschossen. „In nicht allzuferner Zukunft werden sie in der Lage sein, diese Fähigkeit zu nutzen, um jedes Raumschiff zu bedrohen, das wir im All haben“, sagte der General. Der australische Raumfahrt-Experte Jones beschwichtigt dagegen: „Der größte Teil des Raumfahrtprogramms Chinas hat mit dem Militär nichts zu tun“, meinte Jones.