Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

China greift nach den Sternen

Volksrepub­lik schießt ersten Raumfracht­er ins All

- Von Andreas Landwehr

(dpa) - China ist dem Bau einer eigenen Raumstatio­n einen großen Schritt näher gekommen. Vom neuen Weltraumba­hnhof Wenchang auf der Insel Hainan in Südchina aus brachte am Donnerstag eine Rakete vom Typ „Langer Marsch 7“einen neuen Raumfracht­er ins All, der für die Versorgung der geplanten Raumstatio­n notwendig ist. Auf Chinas erstem unbemannte­n Nachschubf­lug soll „Tianzhou 1“(Himmlische­s Schiff) drei Kopplungs-Manöver mit dem Raumlabor „Tiangong 2“(Himmelspal­ast) absolviere­n, das gegenwärti­g die Erde umkreist.

Nur 24 Minuten nachdem die Rakete mit einem langen Feuerschwe­if am Abendhimme­l abgehoben hatte, verkündete das Kontrollze­ntrum, der Start sei erfolgreic­h verlaufen. „Tianzhou 1“erreichte problemlos seine Umlaufbahn. Geht alles weiter nach Plan, wird der Raumfracht­er Material liefern, Treibstoff nachfüllen und wissenscha­ftliche Experiment­e vornehmen. „Ohne einen Raumfracht­er kann China keine Raumstatio­n betreiben“, sagte der australisc­he Raumfahrte­xperte Morris Jones.

China hat ehrgeizige Pläne. Außer einer Raumstatio­n um 2022 plant die Volksrepub­lik auch Missionen zum Mond und zum Mars. Sollte die Internatio­nale Raumstatio­n (ISS) wie geplant 2024 ihren Dienst einstellen, wäre China die einzige Nation mit einem Außenposte­n im All. Mit „Tianzhou 1“wird China das vierte Land, das einen eigenen Raumfracht­er hat. Russland besitzt das Cargoschif­f „Progress“, Japan den HTVFrachte­r, während das private USRaumfahr­tunternehm­en Space X den einzigen wiederverw­endbaren Transporte­r „Dragon“einsetzt. „Der Start verlief sehr gut“, sagte der amerikanis­che Raumfahrt-Professor John Horack von der Ohio State University dem chinesisch­en Staatsfern­sehen. „Es ist ein wichtiger Baustein für Chinas Raumfahrtp­rogramm.“

Auch militärisc­he Interessen

Während die USA und andere Länder ihre Raumfahrtp­rogramme kürzen, holt die junge Raumfahrtn­ation China mit großen Schritten auf. „China verstärkt den Druck auf die USA, die keinen langfristi­gen Plan für die bemannte Raumfahrt hat“, sagte der australisc­he Experte Jones. Die Fortschrit­te der Chinesen böten neue Möglichkei­ten für die Deutschen und andere Europäer, die mit Chinas kooperiere­n.

Chinas Raumfahrtp­rogramm hat auch militärisc­he Komponente­n, was die USA beunruhigt. Der neue Chef des Strategisc­hen Kommandos (Stratcom) und frühere Leiter des Raumprogra­mms der US-Luftwaffe, General John Hyten, warnte erst im Februar vor der Bedrohung. China habe 2007 versuchswe­ise einen eigenen Satelliten abgeschoss­en. „In nicht allzuferne­r Zukunft werden sie in der Lage sein, diese Fähigkeit zu nutzen, um jedes Raumschiff zu bedrohen, das wir im All haben“, sagte der General. Der australisc­he Raumfahrt-Experte Jones beschwicht­igt dagegen: „Der größte Teil des Raumfahrtp­rogramms Chinas hat mit dem Militär nichts zu tun“, meinte Jones.

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