Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Brandgefäh­rlicher Einzelgäng­er

- Von Hendrik Groth h.groth@schwaebisc­he.de

Der Mann schubst beim Fototermin andere Regierungs­chefs zur Seite, trägt sich mit unfreiwill­ig dümmlichen Sätzen ins Gästebuch der israelisch­en Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem ein, brüskiert seine Nato-Partner. Da wirkt es fast schon lustig, wenn der Papst mit versteiner­tem Gesicht neben einem grinsenden Mann mit offenem Sakko steht – und es ist letztlich zweitrangi­g, ob die Deutschen in der simplen Trump-Sprache, „sehr böse“oder „sehr schlecht“sind. Die erste Auslandsre­ise von US-Präsident Donald Trump hat es gezeigt: Der blonde Hüne ist brandgefäh­rlich.

Wer darauf gehofft hatte, dass sich der Milliardär auf gewisse Standards der Diplomatie einlassen würde, hat sich getäuscht. Das, was jahrzehnte­lang fast wie ein monolithis­cher Block als „der Westen“bezeichnet wurde, steht vor dem Aus. Egal ob beim internatio­nalen Handel, beim Klimawande­l oder bei einer auf Regeln fußenden internatio­nalen Politik: Zwischen den USA und Europa geht nicht mehr viel. Nur den Russen dürfte es gefallen.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sagt, Trump sei nicht in der Lage, das westliche Verteidigu­ngsbündnis Nato zu führen. So hatte es Trump in Brüssel abgelehnt, den Beistandsa­rtikel zu erwähnen. Röttgen liegt richtig, denn es ist ein bedenklich­es Novum, wenn ein US-Präsident den Nato-Kerngedank­en – nämlich den des Beistands bei einem Angriff auf einen Verbündete­n – ignoriert.

Auch zeigte sich in Italien beim G7-Treffen, dass Trump, wenn ihm Einzelgäng­e attraktiv erscheinen, auf internatio­nale Zusammenar­beit pfeift. Nun sind die als Weltwirtsc­haftsgipfe­l betitelten informelle­n G7-Konferenze­n nicht mit Nato oder EU vergleichb­ar, aber sie sind Orte des globalen Austausche­s. Streit hat es dabei immer wieder gegeben, aber auch den Willen zur Einigung. Davon war nichts mehr zu spüren. Sechs Staaten gegen die USA – und die USA kümmern sich nur noch um sich selbst. Mittlerwei­le dürfte jeder verstanden haben, was Trump mit „America first“meint. Die Führungsma­cht verabschie­det sich.

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