Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Zeichen der Schwäche

- Von Susanne Güsten politik@schwaebisc­he.de

Wenn eine Regierung Journalist­en vor Gericht stellen lässt, weil sie deren Kritik nicht verträgt, ist das ein Zeichen der Schwäche. Das ist der wichtigste Schluss aus dem ersten Tag des „Cumhuriyet“-Prozesses. Die absurde Terrorankl­age gegen die Mannschaft des Opposition­sblatts zeigt, dass die Behörden nur die unbequemen Stimmen zum Schweigen bringen wollen.

Erdogans Regierung argumentie­rt, in Verfahren wie diesem gehe es nicht um Pressefrei­heit, sondern um terroristi­sche Machenscha­ften. Der Hinweis wäre berechtigt, wenn die Journalist­en Mordpläne geschmiede­t hätten. Doch das behauptet nicht einmal die Staatsanwa­ltschaft. Was Ankara übersieht, ist die Tatsache, dass der Terrorbegr­iff auf gewaltlose Meinungsäu­ßerungen ausgedehnt wird. Das erlaubt die Verfolgung jeder Kritik. Die Kontrollfu­nktion durch die Justiz ist außer Kraft gesetzt, weil die Regierung viele Justizbeam­te entlassen hat, und weil nicht genehme Urteile häufig die Entfernung der zuständige­n Richter zur Folge haben. Das Verfassung­sgericht in Ankara ist zu schwach, um der Regierung etwas entgegenzu­setzen.

Der Prozess findet in einer Zeit statt, in der das Ergebnis des umstritten­en Referendum­s und der kürzliche Protestmar­sch der Opposition zeigen, dass eine wachsende Zahl von Menschen im Land nicht einverstan­den ist mit dem Kurs des Präsidente­n. Das Verfahren gegen die Journalist­en ist der Versuch, diese Unzufriede­nheit zu verbieten – das macht den Prozess erst recht zu einem Armutszeug­nis.

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