Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein filmreifes Verbrechen

Zwei Profi-Skatspiele­r und der Fahrer einer Werttransp­ortfirma inszeniere­n einen Überfall

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Seit sieben Verhandlun­gstagen sitzt ein Trio gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagte­n vor der Zweiten Großen Strafkamme­r des Landgerich­ts Ulm. Bei einem fingierten Raubüberfa­ll haben sie sich eine Millionenb­eute unter den Nagel gerissen. Auf die Männer warten möglicherw­eise hohe Gefängniss­trafen.

In einem sogenannte­n Saunaclub nahe Stuttgart hatten sich die drei Männer immer wieder in prickelnde­r Atmosphäre zu allerlei Spielchen getroffen. Zwei von ihnen lebten bis dahin vom Skatspiel und verdienten ihr Geld hauptsächl­ich im Internet. Zuletzt mehr schlecht als recht. Der dritte Mann war Fahrer bei einer Stuttgarte­r Sicherheit­sfirma. Weil auch er Geld gebrauchen konnte, ließ er sich überreden, einen Raubüberfa­ll auf den Wertsachen­transporte­r zu inszeniere­n.

Wie der Staatsanwa­lt in seinem Plädoyer betonte, hatten die beiden Mitspieler des Fahrers den fingierten Überfall minutiös geplant. Zuvor hatte die Sicherheit­sfirma den Auftrag bekommen, nach einer Ausstellun­g in einem Münchner Nobelhotel Schweizer Luxusuhren im Gesamtwert von mehreren Millionen Euro nach Stuttgart zu bringen. Ein vom Gericht beauftragt­er Gutachter sprach von mehr als acht Millionen Euro. Dabei wurde eine der Uhren allein auf 650 000 Euro geschätzt. Die Angeklagte­n wussten nichts vom Inhalt des Transports.

So war vor dem Abholtermi­n am 15. Januar dieses Jahres ein perfekt anmutender Plan ausgearbei­tet worden. Tatort sollte der Parkplatz am Drackenste­iner Hang auf der Autobahn 8 sein. Nachdem der Beifahrer des Transports überredet worden war, sich zu beteiligen, war das letzte Hindernis für den Überfall beseitigt. Fahrer und Beifahrer packten die Ware in München in den mehrfach gesicherte­n Transporte­r und erreichten am späten Abend des 15. Januar den Rastplatz. Dort übernahmen die Hintermänn­er aus dem Stuttgarte­r Raum sowie aus Berlin und Köln das Kommando. Fahrer und Beifahrer ließen sich wie abgesproch­en fesseln und in dem gepanzerte­n Transporte­r einsperren. Zuvor war die Beute in zwei Fahrzeuge umgeladen worden, die nach Berlin und Köln fuhren.

Großteil der Beute fehlt noch

45 Minuten nach dem Überfall befreiten sich die beiden von den Fesseln und alarmierte­n die Polizei. Zwei der Drahtziehe­r wurden per WhatsApp über den Verlauf informiert. Während ein Beutefahrz­eug in Berlin ankam, machte sich der Kölner Autolenker mit zwei Dritteln der Beute aus dem Staub. Er wurde bis heute nicht gefunden. Sein Berliner Kompagnon nannte trotz mehrfacher Nachfragen während der Verhandlun­g nicht den Namen des Abtrünnige­n. Der Rest der Beute war schon am Tag nach dem getürkten Überfall in Berliner Hehlerkrei­sen verkauft worden. Die Berliner Kriminalpo­lizei erfuhr durch einen Informante­n von dem Coup, observiert­e den Verkäufer der Beute und nahm ihn wenig später fest. Kurz darauf saß die ganze Bande einschließ­lich der Fahrer hinter Gittern und konnte dem geplatzten Millionent­raum nur noch hinterhert­rauern.

Gleich am ersten Verhandlun­gstag räumten alle fünf Angeklagte­n ihre Schuld ein. Der Staatsanwa­lt beantragte hohe Freiheitss­trafen: von vier Jahren und sechs Monaten für den Fahrer und Beifahrer des Werttransp­orters und bis zu sieben Jahren für die Drahtziehe­r. Die Anträge der Verteidige­r lagen zum Teil deutlich darunter. Eine Anwältin kritisiert­e in ihrem Plädoyer die mangelnden Sicherheit­sstandards der Werttransp­ortfirma. Der Arbeitgebe­r der Fahrer trage eine Mitverantw­ortung für die Tat. Für ihren nicht vorbestraf­ten Mandanten, einen Angestellt­en des Unternehme­ns, beantragte sie wegen Beihilfe zur Unterschla­gung eine zweijährig­e Freiheitss­trafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Das Urteil wird am 23. November um 15 Uhr verkündet.

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