Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein filmreifes Verbrechen
Zwei Profi-Skatspieler und der Fahrer einer Werttransportfirma inszenieren einen Überfall
ULM - Seit sieben Verhandlungstagen sitzt ein Trio gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten vor der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts Ulm. Bei einem fingierten Raubüberfall haben sie sich eine Millionenbeute unter den Nagel gerissen. Auf die Männer warten möglicherweise hohe Gefängnisstrafen.
In einem sogenannten Saunaclub nahe Stuttgart hatten sich die drei Männer immer wieder in prickelnder Atmosphäre zu allerlei Spielchen getroffen. Zwei von ihnen lebten bis dahin vom Skatspiel und verdienten ihr Geld hauptsächlich im Internet. Zuletzt mehr schlecht als recht. Der dritte Mann war Fahrer bei einer Stuttgarter Sicherheitsfirma. Weil auch er Geld gebrauchen konnte, ließ er sich überreden, einen Raubüberfall auf den Wertsachentransporter zu inszenieren.
Wie der Staatsanwalt in seinem Plädoyer betonte, hatten die beiden Mitspieler des Fahrers den fingierten Überfall minutiös geplant. Zuvor hatte die Sicherheitsfirma den Auftrag bekommen, nach einer Ausstellung in einem Münchner Nobelhotel Schweizer Luxusuhren im Gesamtwert von mehreren Millionen Euro nach Stuttgart zu bringen. Ein vom Gericht beauftragter Gutachter sprach von mehr als acht Millionen Euro. Dabei wurde eine der Uhren allein auf 650 000 Euro geschätzt. Die Angeklagten wussten nichts vom Inhalt des Transports.
So war vor dem Abholtermin am 15. Januar dieses Jahres ein perfekt anmutender Plan ausgearbeitet worden. Tatort sollte der Parkplatz am Drackensteiner Hang auf der Autobahn 8 sein. Nachdem der Beifahrer des Transports überredet worden war, sich zu beteiligen, war das letzte Hindernis für den Überfall beseitigt. Fahrer und Beifahrer packten die Ware in München in den mehrfach gesicherten Transporter und erreichten am späten Abend des 15. Januar den Rastplatz. Dort übernahmen die Hintermänner aus dem Stuttgarter Raum sowie aus Berlin und Köln das Kommando. Fahrer und Beifahrer ließen sich wie abgesprochen fesseln und in dem gepanzerten Transporter einsperren. Zuvor war die Beute in zwei Fahrzeuge umgeladen worden, die nach Berlin und Köln fuhren.
Großteil der Beute fehlt noch
45 Minuten nach dem Überfall befreiten sich die beiden von den Fesseln und alarmierten die Polizei. Zwei der Drahtzieher wurden per WhatsApp über den Verlauf informiert. Während ein Beutefahrzeug in Berlin ankam, machte sich der Kölner Autolenker mit zwei Dritteln der Beute aus dem Staub. Er wurde bis heute nicht gefunden. Sein Berliner Kompagnon nannte trotz mehrfacher Nachfragen während der Verhandlung nicht den Namen des Abtrünnigen. Der Rest der Beute war schon am Tag nach dem getürkten Überfall in Berliner Hehlerkreisen verkauft worden. Die Berliner Kriminalpolizei erfuhr durch einen Informanten von dem Coup, observierte den Verkäufer der Beute und nahm ihn wenig später fest. Kurz darauf saß die ganze Bande einschließlich der Fahrer hinter Gittern und konnte dem geplatzten Millionentraum nur noch hinterhertrauern.
Gleich am ersten Verhandlungstag räumten alle fünf Angeklagten ihre Schuld ein. Der Staatsanwalt beantragte hohe Freiheitsstrafen: von vier Jahren und sechs Monaten für den Fahrer und Beifahrer des Werttransporters und bis zu sieben Jahren für die Drahtzieher. Die Anträge der Verteidiger lagen zum Teil deutlich darunter. Eine Anwältin kritisierte in ihrem Plädoyer die mangelnden Sicherheitsstandards der Werttransportfirma. Der Arbeitgeber der Fahrer trage eine Mitverantwortung für die Tat. Für ihren nicht vorbestraften Mandanten, einen Angestellten des Unternehmens, beantragte sie wegen Beihilfe zur Unterschlagung eine zweijährige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Das Urteil wird am 23. November um 15 Uhr verkündet.