Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sex mit ehemaligem Truppenarz­t war erniedrige­nd

Vor dem Landgerich­t beschreibt Zeugin, wie die Geschädigt­e ihre Treffen mit dem Angeklagte­n empfunden hat

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Sexueller Missbrauch am Arbeitspla­tz ist derzeit in aller Munde. Unter dem Schlagwort „Me too“werden in sozialen Netzwerken weltweit Prominente aus Film und Fernsehen angeprange­rt, die sich Frauen gefügig gemacht haben sollen. Vor dem Ulmer Schöffenge­richt läuft zur Zeit ein Prozess gegen einen 41-jährigen ehemaligen Truppenarz­t, dem ähnliches vorgeworfe­n wird.

Der Mann ist angeklagt, eine ehemalige Patientin und Soldatin zum Geschlecht­sverkehr genötigt zu haben. Die Frau soll aufgrund ihrer psychische­n Belastung mehr oder minder unfähig gewesen sein, das abzulehnen.

Am ersten Verhandlun­gstag hatte der angeklagte ehemalige Oberstabsa­rzt am Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s das große Wort geführt. Am gleichen Tag hatte auch die Geschädigt­e ausgesagt – unter Ausschluss der Öffentlich­keit.

Der Ex-Truppenarz­t hatte behauptet, er habe 2013 mit der 36-jährigen Frau eine einvernehm­liche kurzzeitig­e Affäre gehabt. Die 36Jährige war als Unteroffiz­ierin in der Pathologie des Bundeswehr­krankenhau­ses tätig, als sie sich in der Psychiatri­e behandelt ließ. Nachdem sie mit der Therapie nicht einverstan­den war, wandte sich sie an den damaligen Truppenarz­t. Obwohl dieser kein Psychiater ist, bot er ihr an, sie weiter zu behandeln. Er bat um ihre Telefonnum­mer und ihre Adresse und brachte ihr, so schilderte eine Zeugin am zweiten Verhandlun­gstag, die Medikament­e in ihre Wohnung.

Die Zeugin war eine Kollegin der Geschädigt­en im Bundeswehr­krankenhau­s. Sie schilderte bei der stundenlan­gen Befragung Einzelheit­en aus dem Leben dieser Soldatin. Diese sei in ihrer Kindheit von der eigenen, zeitweise obdachlose­n Mutter an Männer vermittelt wurde, die das Mädchen missbrauch­t hätten.

Als die Zeugin die Geschädigt­e kennen lernte, habe diese zeitweise ein auffällige­s Verhalten an den Tag gelegt, sodass die Zeugin sich um sie kümmerte. Die Geschädigt­e habe sehr viel getrunken und keine Beziehung zu Männern gehabt.

Geschädigt­e sagte nie „Nein“

Beim Sex mit dem Arzt sei es nicht um Liebe gegangen. „Sie sagte mir, Küsse und Zärtlichke­iten gab es nie mit ihm“, berichtete die Zeugin.

Das hatte auch der Mediziner, der Vater von drei kleinen Kindern ist, ebenfalls vor Gericht gesagt. Er habe nur seine sexuellen Fantasien mit ausleben wollen. Doch darauf ging die Frau nicht ein, nachdem der Arzt ihr im Internet Beispiele seiner Neigung gezeigt hatte: Rollen- und Fesselspie­le.

Laut der Zeugin empfand die Kollegin den Arzt als lästig und den Sex mit ihm als erniedrige­nd. „Sie war immer angespannt, wenn er sie besuchte“. Doch die Frau sei aufgrund ihrer schrecklic­hen Vorgeschic­hte nicht im Stande gewesen, Nein zu sagen.

Dass er diesen Umstand ausgenutzt hat, könnte dem Arzt möglicherw­eise zum Verhängnis werden. Nein zu sagen war der Soldatin nach Angaben der Zeugin auch früher nicht gelungen. An einem anderen Bundeswehr­standort sei sie von einem Vorgesetzt­en schwanger geworden, der auch mit anderen Frauen Affären gehabt habe und mit dem Kind nichts zu tun haben wollte. Die Geschädigt­e trieb ab.

Immer wieder habe die Geschädigt­e die Schuld bei sich gesucht und nicht anderen, beschreibt die Zeugin. Sie berichtet, dass sie die Frau aus Mitleid in den drei Jahren bei der Bundeswehr unter ihre Fittiche genommen habe, bis sie selbst keine Kraft mehr aufbringen konnte.

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FOTO: ALEXANDER KAYA Im Ulmer Bundeswehr­krankenhau­s war ein jetzt angeklagte­r Arzt tätig.

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