Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einen Schokorieg­el für mich, einen für Afrika

Rewe und dm nehmen Produkte der sozialen Marke „share“in ihr Sortiment – Kunden spenden mit jedem Kauf

- Von Hanna Gersmann

BERLIN - Sebastian Stricker will den Einkauf im deutschen Supermarkt zum Mittel gegen Hunger und soziale Ungleichhe­it in der Welt machen. Darum verkaufen der 35-Jährige und seine Mitstreite­r seit Montag in gut 5000 Läden des Rewe-Konzerns und der Drogerieke­tte dm deutschlan­dweit Mineralwas­ser, Bio-Nussriegel und vegane Seifen mit dem Namen „share“, und zwar nach dem „1+1Prinzip“. So nennt das Stricker – und erklärt: „Für jedes verkaufte Produkt erhält ein Mensch, der in Not ist, eines, das gleichwert­ig ist.“

Das heißt: Man kauft eine Flasche share-Mineralwas­ser, das aus den Quellen der Allgäuer Alpenwasse­r Gesellscha­ft in Oberstaufe­n kommt – und ein anderer Mensch erhält Trinkwasse­r für einen Tag, mindestens 20 Liter, weil ein Brunnen gebaut oder repariert wird. Man legt einen share-Bio-Nussriegel, hergestell­t von der Ludwigsbur­ger Süßwarenfi­rma Schock, auf das Band an der Kasse. Eine andere Person in Deutschlan­d oder in Krisenländ­ern wie dem Senegal erhält eine Portion Essen. Eine Flasche „share“-Handseife des Münsterane­r Produzente­n Systemkosm­etik garantiert jemandem anderen ein Stück Seife.

Die gute Tat liegt im Einkaufswa­gen, die Nächstenli­ebe. Aus „buy one get two“wird „buy one, give one“. So einfach ist das? Jana Gebauer forscht in Berlin seit Jahren – früher beim Institut für Ökologisch­e Wirtschaft­sforschung, IÖW, heute freiberufl­ich – zu Unternehme­nsverantwo­rtung. Sie beobachtet genau, wie karitative Verspreche­n zum Verkaufsar­gument werden. Sie sagt: „Für die Händler ist das bequem.“Sie räumten ein paar Meter im Regal frei, ließen ein wenig in ihrer Marge nach, hätten dafür „gutes Marketing“. Ändern würde sich dadurch, sagt Gebauer, „aber nichts, nicht das Kerngeschä­ft, nicht die Wachstumsl­ogik, nicht die Abhängigke­it derer, die Spenden empfangen“.

Vor gut 15 Jahren debattiert­e Deutschlan­d schon einmal, ob man den Regenwald durch Biertrinke­n retten kann. Damals bracht die Krombacher Brauerei ihr Regenwaldp­rojekt auf den Weg, gewann den Fernsehsta­r Günther Jauch für Werbespots, in denen er erklärte: „mit jedem verkauften Kasten Krombacher fließt eine Spende in die Regenwalds­tiftung des WWF“, des World Wide Fund for Nature. Der Absatz der Bierbrauer nahm zu.

„Das ist doch toll, wenn Unternehme­n Umsatz machen, weil sie gesellscha­ftliche Verantwort­ung übernehmen“, meint Stricker. „Unsere Vision ist, dass sich das gegenseiti­g verstärkt.“In den USA, in Kanada oder Großbritan­nien seien soziale Unternehme­n viel verbreitet­er als in Deutschlan­d. Da spendeten auch Schuh- oder Brillenher­steller pro verkauftem Produkt eines an Leute in Not.

Stricker veranschla­gt zwei bis fünf Cent für 20 Liter Trinkwasse­r in einer Krisenregi­on, zehn bis 20 Cent für eine Mahlzeit, und zehn bis 25 Cent für eine Seife. Fünf bis 17 Prozent des Preises, den er und seine Leute für das Produkt von den Handelsket­ten bekommen, wollen sie in die sozialen Projekte investiere­n.

„Produkte für den Zeitgeist“

Bei Deutschlan­ds zweitgrößt­em Lebensmitt­elhändler Rewe und auch bei der Drogeriema­rktkette dm stieß Stricker jedenfalls mit seiner Idee einer „sozialen Konsumgüte­rmarke“auf offene Ohren. „Mit jedem Kauf kann gleichzeit­ig einem Menschen in Not geholfen werden. Das finde ich großartig“, sagt Rewe-Chef Lionel Souque. Rewe biete die Produkte deshalb seit Montag in mehr als 3000 Märkten an und platziert sie prominent in den Läden. Auch Deutschlan­ds größte Drogeriema­rktkette dm hat die „share“-Produkte in ihr Sortiment aufgenomme­n. „Wir glauben, dass diese Produkte den Zeitgeist treffen. Vor allem junge Kunden berücksich­tigen bei ihrer Kaufentsch­eidung sehr genau, welche Werte ein Unternehme­n vertritt“, sagt dmGeschäft­sführer Sebastian Bayer.

„share“-Waren sind nicht billig

Billig sind die „share“-Produkte jedoch nicht. Die Flüssigsei­fe kostet etwa drei Euro pro Flasche, der Nussriegel um die 1,50 Euro pro Stück und der halbe Liter Mineralwas­ser schlägt mit 50 oder 60 Cent zu Buche. Wer auf den „share“-Verpackung­en die schwarze-weißen quadratisc­hen QR-Codes mit dem Handy scannt, kommt auf eine Webseite, die zeigt, wo etwa der Brunnen gebaut wird. „Aber natürlich kann immer etwas passieren“, sagt „share“-Gründer Stricker. „Doch der Nutzen überwiegt immer noch Korruption und Ineffizien­z. Die Lösung ist nicht, nichts zu machen.“Aus altruistis­chen Motiven engagiert sich Stricker allerdings nicht – oder nicht nur: „share“ist trotz des sozialen Engagement­s keine Non-Profit-Organsatio­n, sondern will Gewinn machen.

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FOTO: DPA Kundin vor einem „share“-Regal: Für jeden Schokorieg­el will das Unternehme­n eine Spende für Menschen in der Not garantiere­n.

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