Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Warum in die Ferne schweifen? – In Deutschland Urlaub machen
Das vielleicht größte aller Klischees in unseren bewegten Zeiten ist doch dieses: Reisen bildet. Wer weitgereist ist, muss ein nobler, weltoffener Mensch sein. Ach ja, schön wär’s. Vermutlich stammt diese Hoffnung noch aus jenen fernen Zeiten, als der olle Goethe reiste, um seinen Horizont zu erweitern und von diversen Musen geküsst zu werden. Dank Billigflieger und Business-Spesenrittertum ist heute leider zigfach bewiesen, dass jeder Idiot in jede beliebige Ecke der Welt reisen kann – um wundersamerweise genauso dämlich und engstirnig zurückzukehren, bereichert nur um ein paar gefälschte Designerklamotten und die Borniertheit des vermeintlich Weltläufigen. Gebildet haben sich auf dem Miles&More-Trip aber höchstens ein paar Herpesbläschen. Danke bestens. Nicht dass Entdeckerdrang abzulehnen wäre. Keinesfalls! Aber für viele von uns beginnt das Neuland schon an der Gemeindegrenze, nicht am Amazonas.
Man muss ja nicht gleich barfuß durch Deutschland wandern, wie Aldo Berti (siehe oben), um Abenteuerliches zu erleben. Dank der Deutschen Bahn, die sich bekanntlich eine Nonchalance zugelegt hat, wie man sie früher aus südländischen Sehnsuchtsländern kannte, gerät auch eine Reise in die Lüneburger Heide leicht zum Abenteuer-Trip mit bewusstseinserweiternder Wirkung.
Das Abenteuer beginnt hinter dem nächsten Hügel. Von Petra Lawrenz