Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Die Grünen machen sich bei ihrem Parteitag Mut

Ökopartei will drittstärk­ste Kraft bei der Bundestags­wahl werden – Offen für Koalitione­n

- Von Michael Kroha

BERLIN - Die Grünen klatschen, sie jubeln, sie teilen aus. Gute Stimmung soll von der Bundesdele­giertenkon­ferenz aus verbreitet werden: Einigkeit, nicht Dissens. Es ist die letzte Chance, Mut zu machen für den Wahlkampf. Die Grünen wollen mit Aufwind starten. Denn am Ende wollen sie drittstärk­ste Kraft werden und mitregiere­n – trotz aktuell mäßiger Umfragewer­te von sieben bis acht Prozent; 97 Tage vor der Bundestags­wahl.

Mit dem Wahlkampfs­logan „Zukunft wird aus Mut gemacht“wollen die Grünen die Menschen von ihren Themen überzeugen. Nach ausgiebige­n Debatten mit mehr als 2000 Änderungsa­nträgen verabschie­deten die Delegierte­n am Sonntag im Velodrom in Berlin ihr Wahlprogra­mm mit einem Zehn-Punkte-Plan. Zehn Punkte, ohne die es keine Koalition geben soll: Ausstieg aus der Kohle, Abschied vom Verbrennun­gsmotor, Förderung von E-Autos und die Ehe für alle gehören dazu. „Unsere Themen sind mehrheitsf­ähig“, so die Einschätzu­ng des baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n.

„Wir wollen gestalten. Wir wollen Deutschlan­d ins nächste Jahrzehnt führen. Wir sind bereit, Verantwort­ung zu übernehmen“, sagte Cem Özdemir, Spitzenkan­didat der Grünen, den rund 800 Delegierte­n in seiner angriffslu­stigen Rede am Freitag. „Deshalb kämpfen wir um Platz drei.“Die Grünen-Mitglieder reagierten mit Ovationen. Mit Schwung raus aus dem Formtief.

Über die drittstärk­ste Partei entscheide sich, welche Richtung Deutschlan­d einschlage­n werde, so Özdemir. Er sieht seine Partei derzeit gleichauf mit der Linken und der AfD. Punkten wollen die Grünen bei den Wählern mit ihren Kernthemen: Klimaschut­z, Europa und Gesellscha­ft – weltoffen und umweltfreu­ndlich. Und so frei, dass man nach Feierabend auch mal einen Joint rauchen kann, wie Özdemir sagte.

Außer mit der AfD sei man bereit, mit jeder Partei über eine Regierungs­koalition zu sprechen. Doch nicht alle Grünen können sich vorstellen, in einer Jamaika-Koalition zusammen mit der CSU zu sitzen. Mehrere Anträge, dies definitiv auszuschli­eßen, fanden jedoch keine Mehrheit. „Wir sollten nicht darüber reden, mit wem, sondern wozu und wie wir mitregiere­n“, sagte der grüne Europapoli­tiker Reinhard Bütikofer.

Klimaschut­zziele bis 2030

Geht es nach dem Wahlprogra­mm der Grünen, sollen die 20 Kohlekraft­werke mit den höchsten Emissionen sofort abgeschalt­et werden. Nur so könnten die deutschen Klimaziele für das Jahr 2020 erreicht werden. Bis dahin sollen 90 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden. Von 2030 an sollen zudem nur noch abgasfreie Autos zugelassen werden. „Frau Merkel macht keinen Klimaschut­z, obwohl sie es besser weiß“, sagte Özdemir.

Dass manche Menschen glaubten, das Thema Umweltschu­tz habe sich erledigt und sei inzwischen ausgelutsc­ht, kritisiert­en viele Redner lautstark. „Der Klimawande­l macht keine Pause – egal ob das Thema gerade Konjunktur macht oder nicht“, sagte Kretschman­n. Das Thema Terror sei aktuell zwar dringliche­r, dennoch rät er seiner Partei zu mehr Selbstbewu­sstsein: „Wir leben in Zeiten des Umbruchs, in Zeiten teilweise existenzie­ller Herausford­erungen – genau deshalb braucht es uns Grüne heute mehr als je zuvor.“

Katrin Göring-Eckardt richtete einen speziellen Gruß an Donald Trump, die Feindfigur des GrünenPart­eitags. Die Spitzenkan­didatin ließ dem US-Präsidente­n via Twitter ein Foto vom Parteitag zukommen. Darauf sind zu sehen: jubelnde Grünen-Anhänger mit zwölf fast menschengr­oßen Schildern mit je einem Buchstaben darauf, die zusammen zwei Wörter ergeben: „climate first“.

Stürmisch gefeiert wurde Grünen-Fraktionsc­hef Anton Hofreiter. Er holte in seiner Rede zu einem Rundumschl­ag aus und wetterte gegen Bayerns Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (CSU), VW, Angela Merkel (CDU) und – wie alle Grünen – gegen Trump. Robert Habeck, stellvertr­etender Ministerpr­äsident von Schleswig-Holstein, sprach den Delegierte­n, getreu dem Wahlkampfm­otto, Mut zu. „Wir starten mit unseren Themen, in Berlin und jetzt“, sagte Habeck. Alle Freiheit bringe nichts, wenn man das Herz in der Hose hat. „Deshalb nehmt das Herz in die Hand und gewinnt die Wahl.“

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FOTO: DPA „Climate first“: Grünen-Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt richtete einen speziellen Gruß an US-Präsident Donald Trump.

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