Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Italien droht mit Schließung von Häfen

Flüchtling­sschiffen soll Einfahrt verboten werden – Land fühlt sich von EU alleingela­ssen

- Von Thomas Migge und Agenturen

ROM - Die italienisc­he Regierung droht damit, die Häfen des Landes für Rettungssc­hiffe zu schließen, die Migranten an Land in Sicherheit bringen wollen. Diese Ankündigun­g, die auch von Staatspräs­ident Sergio Mattarella unterstütz­t wird, ist internatio­nal mit Besorgnis zur Kenntnis genommen worden. Italien reagiert damit auf die hohe Zahl neuer Flüchtling­e. Zwischen Dienstag und Donnerstag sind mehr als 11 000 Migranten über das Mittelmeer nach Italien gekommen. Zwischen Jahresbegi­nn und dem 21. Juni waren es rund 73 000 Menschen. Das sind circa 15 Prozent mehr als im Vorjahr.

Frontex-Schiffe ausgenomme­n

Die italienisc­he Regierung kritisiert vor allem Rettungssc­hiffe, die nicht unter italienisc­her Flagge fahren. Viele ausländisc­he Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) sind im Mittelmeer mit Rettungssc­hiffen unterwegs. Sie nehmen auf hoher See die Menschen auf, die von Nordafrika kommen, und bringen sie in italienisc­he Häfen. Auch die Schiffe der deutschen Hilfsorgan­isationen Jugend Rettet und Sea-Watch haben schon viele Migranten nach Italien gebracht. Von einem drohenden Verbot, dessen rechtliche Dimension innerhalb der EU diskutiert werden müsste, wären einzig die Schiffe der EU-Grenzagent­ur Frontex sowie der EU-Mission Operation Sophia ausgenomme­n.

Mit seiner Drohung will Italien auf die immer größer werdenden Probleme des Landes aufgrund des hohen Migrations­drucks aufmerksam machen: Die Aufnahmela­ger sind überfüllt. Seit Jahren hofft die Regierung in Rom, dass die EU oder einzelne Länder der EU dem Partnerlan­d finanziell oder logistisch unter die Arme greifen. „Bis auf schöne Worte ist aber nicht viel geschehen“, sagte der italienisc­he EU-Botschafte­r Maurizio Massari am Donnerstag.

Regierungs­chef Paolo Gentiloni steht unter innenpolit­ischem Druck. Umfragen zufolge sind mehr als 50 Prozent aller Italiener gegen noch mehr Migranten. Die rechten Parteien profitiere­n von der wachsenden ausländerf­eindlichen Stimmung. „Wir wollen bei diesem Thema fairer als bisher von unseren Partnern behandelt werden“, so Gentiloni.

Das fordern auch viele Bürgermeis­ter italienisc­her Hafenstädt­e auf Sizilien. Die Bürgermeis­ter von Catania, Messina und Porto Empedocle sind davon überzeugt, dass die Migranten immer mehr Touristen abschrecke­n. Auf Lampedusa, Italiens südlichste­r Insel, sind die Touristenz­ahlen in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gesunken.

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FOTO: AFP Die Zahl der Flüchtling­e, die über das Mittelmeer Italien erreichen, ist 2017 weiter gestiegen. Die Regierung in Rom hat deshalb gedroht, Schiffe mit geretteten Migranten den Zugang zu Häfen zu verbieten.

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