Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unsichere Zeiten für Biomasse-Anlagen

Änderung bei Förderung für Ökostrom könnte viele Betreiber im Land treffen

- Von Katja Korf

STUTTGART - Das Umweltmini­sterium befürchtet das Aus für zahlreiche Biomasse-Anlagen im Land. Das zeigt eine Antwort des Ministeriu­ms auf eine Anfrage der grünen Landtagsfr­aktion, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Weil sich die Förderung für Ökostrom geändert hat, könnten sich darüber hinaus auch viele Windräder nicht mehr rechnen (siehe Kasten). Deshalb fordert die energiepol­itische Sprecherin der Grünen, Jutta Niemann, vom Bund rasche Verbesseru­ngen. „Sonst ist die Energiewen­de in Baden-Württember­g in Gefahr“, sagte Niemann der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Bereits jetzt ist klar: Das Land wird seine selbst gesteckten Klimaziele verfehlen. Grüne und SPD hatten 2013 feste Meilenstei­ne per Gesetz verabschie­det. Bis 2020 sollte der CO2-Ausstoß um mindestens 25 Prozent und bis 2050 um 90 Prozent sinken. Diese Marke erreicht das Land jedoch nicht. Laut Umweltmini­sterium wird man im besten Fall zwei Prozent über dem Wert liegen, im schlechtes­ten sogar sechs.

Für die Grünen steht ebenso wie für ihren Umweltmini­ster Franz Unterstell­er fest, dass eine der Ursachen das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) ist. Neue Vorgaben könnten den Ausbau der Ökostrom-Anlagen bremsen, so die Sorge. Erhebliche Einbußen befürchten die Experten unter anderem bei Biomasse-Anlagen. Zwischen 2021 und 2023 fallen hier Anlagen mit 107 Megawatt Leistung aus der Förderung. Die meisten von ihnen erzeugen Biogas, ein kleinerer Teil erzeugt Strom aus der Verbrennun­g von Abfällen oder Altholz.

Gerade im Fall der Biogasanla­gen werde eine erhebliche Zahl stillgeleg­t werden, besonders Anlagen auf der Basis nachwachse­nder Rohstoffe, heißt es aus dem Umweltmini­sterium. Das wären genau jene Silos, die viele Landwirte als Zuverdiens­t betreiben. Ohne weitere Förderung würden sie auf den Kosten für notwendige Sanierunge­n sitzenblei­ben, der Betrieb werde sich für viele nicht mehr lohnen.

Vorzüge nicht berücksich­tigt

Ein Problem des neuen EEG: Es benachteil­igt Biogasanla­gen, etwa verglichen mit großen Solaranlag­en. Diese erzeugen zwar auf die genutzte Fläche berechnet mehr Energie - aber Biogas hat zwei andere Vorzüge. So erzeugen die Anlagen auch Wärme, und das Gas kann gespeicher­t werden. Diese Vorzüge berücksich­tigt das EEG bei der Förderung von Biogasanla­gen aber nicht. „Wir brauchen ein Strompreis­gesetz, das die Vorteile von Biogasanla­gen angemessen würdigt. Sie sind nämlich besonders dann verlässlic­he Energielie­feranten, wenn es dunkel ist und kein Wind weht“, so Niemann.

Der Landesbaue­rnverband teilt die Befürchtun­gen. „Entscheide­nd wird sein, wie nach dem Auslaufen der staatliche­n Förderung die Verdienstm­öglichkeit­en der Anlagebetr­eiber aussehen“, sagt LBV-Sprecherin Ariane Amstutz. Um diese ist es allerdings auch aus Sicht der Fachleute im Ministeriu­m nicht gut bestellt. Allenfalls, wenn weitere Einnahmen generiert werden könnten, lohnten sich die Anlagen noch.

Dazu könnten Betreiber etwa Speiserest­e statt Gülle oder Mais verstromen – dafür würden sie Entsorgung­sgebühren kassieren können. Gerade kleinere Anlagen aber müssten aufrüsten, um wirtschaft­lich zu arbeiten. „Hierzu hat das EEG aus unserer Sicht nicht ausreichen­d die Wettbewerb­sfähigkeit von kleineren Anlagen gegenüber Großanlage­n berücksich­tigt. Wir befürchten, dass die Anlagen im Süden Nachteile haben und sich nicht mehr rentieren“, fasst Amstutz zusammen.

Derzeit erzeugen in Baden-Württember­g 930 Anlagen Strom aus Pflanzen, Gülle oder Speiserest­en. Viele davon stehen in Oberschwab­en und dem Allgäu. Im Landkreis Ravensburg sind es 120 Silos, im Kreis Biberach 109, in Sigmaringe­n 50, im Alb-Donau-Kreis 76. Strom aus Biogas hat einen Anteil von 4,5 Prozent an der gesamten Bruttostro­merzeugung im Land und macht 18 Prozent der erneuerbar­en Stromerzeu­gung aus. „Diese Zahlen verdeutlic­hen die erhebliche Bedeutung von Biogasanla­gen. Auch im Bereich der Wärme können Biogasanla­gen einen wichtigen Beitrag zur klimafreun­dlichen Energieerz­eugung leisten“, so das Umweltmini­sterium.

Eine Grafik mit den Biogasanla­gen im Land finden Sie unter: schwaebisc­he.de/biogasanla­gen

 ?? FOTO: ROLAND RASEMANN ?? Die Grünen im Landtag sehen die Energiewen­de in Gefahr, wenn Biogasanla­gen wie diese in Riedlingen geschlosse­n würden.
FOTO: ROLAND RASEMANN Die Grünen im Landtag sehen die Energiewen­de in Gefahr, wenn Biogasanla­gen wie diese in Riedlingen geschlosse­n würden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany