Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)
Hausmusik mit den Hosen
Die Toten Hosen, Gerhard Polt und die Well-Brüder werden in München gefeiert
MÜNCHEN - Campino versucht sich an „Der Vogelfänger bin ich ja“aus Mozarts „Zauberflöte“. Stofferl Well schüttelt dazu auf der Querflöte die auch dem Nicht-Klassikfreund vertraute Melodie aus dem Ärmel. Und Gerhard Polt brennt in dem Zusammenhang die Frage auf den Nägeln: „Warum frisst man einen Mauersegler?“Die Toten Hosen, die Well-Brüder und Polt haben sich nach mehr als einem Jahrzehnt wieder zu einem Cross-over-Projekt zusammengetan. Mit „Im Auge des Trommelfells“feierten sie am Mittwochabend an den Münchner Kammerspielen eine umjubelte Premiere.
Das Publikum im ausverkauften Haus lässt sich nach gut zweieinhalb Stunden nicht davon beirren, dass das Saallicht bereits wieder leuchtet. Die Rufe nach einer weiteren Zugabe holen die Protagonisten noch einmal auf die Bühne. „Freunde“heißt das Lied, mit dem die 700 Premierenbesucher dann endgültig in die warme Münchner Nacht entlassen werden. Und als Freunde haben die nur scheinbar so verschiedenen Künstler zuvor die Bühne bespielt.
Man kennt und schätzt sich seit Langem: 1986 lernten sich die Toten Hosen und die Well-Brüder Michael und Stofferl bei den Protest-Konzerten gegen die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf kennen. Als Biermösl Blosn waren die Wells damals noch mit Bruder Hans unterwegs, heute ist Karl Well der Dritte im Bunde. 1990 gab es für die Punkrocker dann die erste Zusammenarbeit mit Gerhard Polt, der auf dem „Kreuzzug ins Glück“-Album zu hören ist. Seit rund drei Jahrzehnten gibt es also gemeinsame Überzeugungen, gemeinsame Feiern und gemeinsame Projekte. Und jeder glaubt ihm sofort, wenn Campino sagt: „Diese Leute zu kennen, ist mit die größte Freude in unserem Leben als Tote Hosen.“
Lust am Zusammenspiel
Ganz neu sind einzelne Nummern von „Im Auge des Trommelfells“nicht: „Mozart mag als Musiker eine gute Kraft gewesen sein; aber als Mensch war er ein Charakterschwein.“Das Lamento des Nachfahren des „Zauberflöte“-Textdichters Emanuel Schikander kennt der geneigte Polt-Fan. Den rasenden und rappenden Milchbauern in „40 Cent“hat Stofferl Well 2014 auch auf dem Album „Kiah Royal“von LaBrassBanda gegeben. Und dass die Toten Hosen unplugged funktionieren, ist seit ihrem 2005 im Wiener Burgtheater aufgenommenen Album „Nur zu Besuch“bekannt. Dennoch: Die sicht- und hörbare Lust am Spiel, am Zusammenspiel, am Überschreiten und Verwischen von Grenzen, fügt die bewährten Einzelteile zu etwas mitreißend Neuem zusammen.
Bissige Botschaften
Nicht nach- oder nebeneinander spielen die Punkrocker und die Volksmusiker, sondern miteinander: Hausmusik mit den Hosen. Sie spielen sich die Bälle zu, frotzeln übereinander und vermeiden jeden Anschein von heiligem Ernst. Die WellBrüder platteln, bieten Bauch- und Highland-Tänze, die Toten Hosen dilettieren fröhlich auf der Trompete, am Hackbrett und an der Zither, deuten sparsam den Tanz der Ehrenjungfrauen bei der Einweihung des neuen Löschfahrzeugs der Feuerwehr von Hausen an. Am Ende stehen einzelne Zuschauer gar auf den altehrwürdigen Sitzen.
„Begabt, begabt“, findet Gerhard Polt die Musiker. „Begabt von der Stimme her.“In seiner Rolle als windiger Musikagent spinnt Polt den roten Faden des Abends. Er lockt mit Auftrittsmöglichkeiten in den Seniorenresidenzen der AugustinumGruppe („Da könnt ihr so laut spielen, wie ihr wollt.“), empfiehlt seinen Schützlingen Zurückhaltung bei Kommentaren zu gesellschaftlichen Themen („Haltet euch aus der Politik raus, da verdient man nix.“) und singt das Hohelied auf die Vorzüge der leichten Unterhaltung („Was hat ein Silbereisen mit Boatpeople zu tun?“).
Da kommen sie dann schon, die bisweilen bissigen Botschaften, ohne die ein Abend mit Polt, den WellBrüdern und den Toten Hosen schwer vorstellbar wäre und die zeigen, dass in dieser Konstellation durchaus zusammenkommt, was zusammengehört.