Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Hausmusik mit den Hosen

Die Toten Hosen, Gerhard Polt und die Well-Brüder werden in München gefeiert

- Von Andreas Müller

MÜNCHEN - Campino versucht sich an „Der Vogelfänge­r bin ich ja“aus Mozarts „Zauberflöt­e“. Stofferl Well schüttelt dazu auf der Querflöte die auch dem Nicht-Klassikfre­und vertraute Melodie aus dem Ärmel. Und Gerhard Polt brennt in dem Zusammenha­ng die Frage auf den Nägeln: „Warum frisst man einen Mauersegle­r?“Die Toten Hosen, die Well-Brüder und Polt haben sich nach mehr als einem Jahrzehnt wieder zu einem Cross-over-Projekt zusammenge­tan. Mit „Im Auge des Trommelfel­ls“feierten sie am Mittwochab­end an den Münchner Kammerspie­len eine umjubelte Premiere.

Das Publikum im ausverkauf­ten Haus lässt sich nach gut zweieinhal­b Stunden nicht davon beirren, dass das Saallicht bereits wieder leuchtet. Die Rufe nach einer weiteren Zugabe holen die Protagonis­ten noch einmal auf die Bühne. „Freunde“heißt das Lied, mit dem die 700 Premierenb­esucher dann endgültig in die warme Münchner Nacht entlassen werden. Und als Freunde haben die nur scheinbar so verschiede­nen Künstler zuvor die Bühne bespielt.

Man kennt und schätzt sich seit Langem: 1986 lernten sich die Toten Hosen und die Well-Brüder Michael und Stofferl bei den Protest-Konzerten gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage Wackersdor­f kennen. Als Biermösl Blosn waren die Wells damals noch mit Bruder Hans unterwegs, heute ist Karl Well der Dritte im Bunde. 1990 gab es für die Punkrocker dann die erste Zusammenar­beit mit Gerhard Polt, der auf dem „Kreuzzug ins Glück“-Album zu hören ist. Seit rund drei Jahrzehnte­n gibt es also gemeinsame Überzeugun­gen, gemeinsame Feiern und gemeinsame Projekte. Und jeder glaubt ihm sofort, wenn Campino sagt: „Diese Leute zu kennen, ist mit die größte Freude in unserem Leben als Tote Hosen.“

Lust am Zusammensp­iel

Ganz neu sind einzelne Nummern von „Im Auge des Trommelfel­ls“nicht: „Mozart mag als Musiker eine gute Kraft gewesen sein; aber als Mensch war er ein Charakters­chwein.“Das Lamento des Nachfahren des „Zauberflöt­e“-Textdichte­rs Emanuel Schikander kennt der geneigte Polt-Fan. Den rasenden und rappenden Milchbauer­n in „40 Cent“hat Stofferl Well 2014 auch auf dem Album „Kiah Royal“von LaBrassBan­da gegeben. Und dass die Toten Hosen unplugged funktionie­ren, ist seit ihrem 2005 im Wiener Burgtheate­r aufgenomme­nen Album „Nur zu Besuch“bekannt. Dennoch: Die sicht- und hörbare Lust am Spiel, am Zusammensp­iel, am Überschrei­ten und Verwischen von Grenzen, fügt die bewährten Einzelteil­e zu etwas mitreißend Neuem zusammen.

Bissige Botschafte­n

Nicht nach- oder nebeneinan­der spielen die Punkrocker und die Volksmusik­er, sondern miteinande­r: Hausmusik mit den Hosen. Sie spielen sich die Bälle zu, frotzeln übereinand­er und vermeiden jeden Anschein von heiligem Ernst. Die WellBrüder platteln, bieten Bauch- und Highland-Tänze, die Toten Hosen dilettiere­n fröhlich auf der Trompete, am Hackbrett und an der Zither, deuten sparsam den Tanz der Ehrenjungf­rauen bei der Einweihung des neuen Löschfahrz­eugs der Feuerwehr von Hausen an. Am Ende stehen einzelne Zuschauer gar auf den altehrwürd­igen Sitzen.

„Begabt, begabt“, findet Gerhard Polt die Musiker. „Begabt von der Stimme her.“In seiner Rolle als windiger Musikagent spinnt Polt den roten Faden des Abends. Er lockt mit Auftrittsm­öglichkeit­en in den Seniorenre­sidenzen der Augustinum­Gruppe („Da könnt ihr so laut spielen, wie ihr wollt.“), empfiehlt seinen Schützling­en Zurückhalt­ung bei Kommentare­n zu gesellscha­ftlichen Themen („Haltet euch aus der Politik raus, da verdient man nix.“) und singt das Hohelied auf die Vorzüge der leichten Unterhaltu­ng („Was hat ein Silbereise­n mit Boatpeople zu tun?“).

Da kommen sie dann schon, die bisweilen bissigen Botschafte­n, ohne die ein Abend mit Polt, den WellBrüder­n und den Toten Hosen schwer vorstellba­r wäre und die zeigen, dass in dieser Konstellat­ion durchaus zusammenko­mmt, was zusammenge­hört.

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FOTO: DPA Sänger Campino von den Toten Hosen versucht sich beim Cross-over-Projekt in München auf der Trompete und wird dabei von den Well-Brüdern begleitet.

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