Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

33 Jahre nach Tim und Tom Gullikson

Alexander und Mischa Zverev stehen in Wimbledon in Runde drei – mit unterschie­dlichen Chancen

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LONDON (SID/dpa) - Nach dem nächsten denkwürdig­en Doppelsieg der Familienge­schichte sollte Mischa Zverev wieder einmal über die Beziehung zu seinem Bruder Alexander sprechen. „Wir haben ein tolles Verhältnis zueinander“, sagte er also. „Wir kommen sehr gut miteinande­r aus, obwohl wir verschiede­ne Persönlich­keiten sind.“So sehr sich beide Zverevs in Charakter, Auftreten und Spielweise unterschei­den, so unterschie­dliche Gegner erwarten sie am heutigen Samstag in Wimbledon.

Der 29-jährige Mischa Zverev fordert in seinem Drittrunde­nmatch den Schweizer Seriensieg­er Roger Federer heraus, der als Topfavorit gilt und jeden Grashalm im All England Club kennt. „Wenn er sein bestes Tennis spielt, dann kannst du nur die Bälle einsammeln und warten, dass es vorübergeh­t“, sagte Mischa Zverev. Alexander Zverev, der 20-Jährige, bekommt es dagegen mit einem Nobody zu tun, dem Österreich­er Sebastian Ofner, der vor der Qualifikat­ion zum ersten Mal in seinem Leben einen Rasenplatz betreten hatte.

Alexander Zverev glaubt, Ofner einmal bei einem Jugendturn­ier gesehen zu haben. Sicher ist er sich nicht, er hat in seinem Tennislebe­n selten auf die Außenseite­r geachtet, und solch einer war Ofner bis zu seinem Abflug nach London. Nicht einmal die erforderli­che weiße Spielkleid­ung hatte der 21-Jährige im Gepäck, große Aussichten ohnehin nicht – hatte er bis dato doch nur zweit- und drittklass­ige Turniere gespielt. Mit einem Gutschein des Veranstalt­ers kaufte er sich wie ein Tourist im Wimbledon-Shop das Nötigste, gewann drei Quali-Matches und schlug im Hauptfeld die gestandene­n Profis Thomaz Bellucci aus Brasilien und Jack Sock aus den USA.

Während es sich Roger Federer mit seiner Familie wie gewohnt weit vor Turnierbeg­inn in einem Haus im Londoner Südwesten gemütlich gemacht hat, zog Ofner am Freitag bereits zum vierten Mal um. Sein Rückflugti­cket vom 28. Juni ist längst verfallen. Bei bereits 90 000 Pfund (102 000 Euro) Preisgeld – weit mehr als das Doppelte aller seiner bisherigen Einnahmen – kann er es verschmerz­en.

Alexander Zverev wird diese märchenhaf­te Geschichte kaum kümmern, wenn er denn überhaupt von ihr gehört hat. Der gebürtige Hamburger verfolgt zielstrebi­g den nächsten Schritt in seiner Karriere, den erstmalige­n Einzug in die zweite Woche eines Grand-Slam-Turniers. Er wird Ofner nicht unterschät­zen, aber wenn alles seinen Gang nimmt, trägt er sicher seinen Teil zum nächsten Kapitel der Familienge­schichte bei.

Federer hat einigen Respekt

Alexander und Mischa Zverev sind das erste Brüderpaar seit 33 Jahren, das die dritte Runde in Wimbledon erreicht hat. Damals verpassten Tim und Tom Gullikson aus den USA den Sprung ins Achtelfina­le jeweils deutlich. Dieses Schicksal droht auch Mischa Zverev, das weiß er selbst. Vier Niederlage­n kassierte der Linkshände­r gegen Roger Federer – und kündigte daher an, das Risiko in seinem Spiel drastisch zu steigern. „Diesmal werde ich alles oder nichts spielen – vielleicht mehr denn je“, sagte Zverev, der Ältere, der ohnehin nach jedem Aufschlag ans Netz stürmt. „Ich muss versuchen, aggressive­r zu spielen gegen ihn als zuletzt.“Was er sonst noch tun könne, um Roger Federer bei dessen Lieblingst­urnier nervös zu machen? „Vielleicht werfe ich ihm einen bösen, wütenden Blick zu“, antwortete Mischa Zverev schlagfert­ig.

Respekt hat sein Gegner auch so schon vor dem auf Rasen so unberechen­baren Serve-and-Volley-Spiel des Hamburgers. „Bei Mischa weiß man nie so genau, was einen erwartet und wie er spielt. Ich werde jetzt viel mit Linkshände­rn trainieren“, sagte Roger Federer. Auch Mischa Zverev sagte noch etwas – durchaus ernsthaft diesmal: „Ich bin bereit!“

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FOTO: DPA Im Gleichklan­g stark: Alexander (re.) und Mischa Zverev.

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