Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Billiggeld­kurs gerät noch stärker in die Kritik

Europäisch­e Zentralban­k unter Druck

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FRANKFURT (dpa) - Die Forderunge­n nach einem Ausstieg aus der ultralocke­ren Geldpoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) werden lauter. „Es ist jetzt an der Zeit für die EZB, eine Strategie zu kommunizie­ren wie sie sich zurückzieh­en wird aus dieser sehr expansiven Geldpoliti­k“, sagte Deutschlan­ds oberster Wirtschaft­sweiser, der Präsident des Leibniz-Institut für Wirtschaft­sforschung, Christoph Schmidt, bei einer Konferenz in Frankfurt.

Klar sei aber auch, dass die Rücknahme der Anti-Krisen-Maßnahmen ein Drahtseila­kt sei, ergänzte Schmidt. Mit Nullzinsen und milliarden­schweren Anleihenkä­ufen habe die EZB den Reformdruc­k von hoch verschulde­ten Staaten genommen.

Viele Regierunge­n hätten sich in der Welt des billigen Geldes eingericht­et, bekräftigt­e der Präsident des Münchner ifo-Instituts, Clemens Fuest: „Die EZB nimmt die südeuropäi­schen Staaten sehr stark in den Blick und hofft, dass die niedrigen Zinsen dazu führen, dass sich diese Staaten irgendwann entschulde­n. Aber das wird nicht passieren.“Bislang sei die Notenbank ein Ausstiegss­zenario schuldig geblieben.

Kirsch: „Zeit für den Ausstieg“

Nullzinsen und Strafzinse­n für Bankeinlag­en bei der EZB belasten die Finanzbran­che. Dass die Notenbank zudem noch bis mindestens Ende 2017 Monat für Monat Milliarden in den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen steckt, verhindert nach Ansicht von Kritikern ein normales Funktionie­ren von Kapitalmär­kten.

„Es ist hohe Zeit für den Ausstieg“, sagte DZ-Bank-Chef Wolfgang Kirsch. Immerhin machten jüngste Äußerungen von EZB-Präsident Mario Draghi Hoffnung, „dass die EZB die Glocken endlich läuten hört“, sagte Kirsch – „wenn wir uns auch ein entschloss­eneres Vorgehen wünschen würden“.

Draghi hatte von einer „graduellen Anpassung“der EZB-Politik gesprochen, zugleich jedoch betont: „Anpassunge­n müssen schrittwei­se gemacht werden – und nur, sofern die verbessert­e (wirtschaft­liche) Dynamik, die sie rechtferti­gt, hinreichen­d sicher ist.“Eine abrupte Kehrtwende ist von der Zentralban­k nicht zu erwarten. Draghi bekräftigt­e: „Wir brauchen Ausdauer in unserer Geldpoliti­k.“

Volkswirte erwarten für diesen September konkrete Hinweise der Währungshü­ter zum weiteren Kurs der EZB. Mehrheitli­ch rechnen Ökonomen damit, dass die Notenbank 2018 zunächst ihr gewaltiges Anleihenka­ufprogramm allmählich auslaufen lassen wird und erst danach die Zinsen langsam wieder anhebt.

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FOTO: AFP „Graduelle Anpassung“: EZB-Präsident Mario Draghi.

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