Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Musik spielt hier die Hauptrolle

Genial und erfrischen­d: „Baby Driver“ist mehr als „LaLaLand“mit Action

- Von Stefan Rother

n „Baby Driver“lässt Regisseur Edgar Wright Musik und Filmgesche­hen auf höchst originelle Weise verschmelz­en – und landet mit der Geschichte eines Fluchtwage­nfahrers den erfrischen­dsten Actionfilm dieses Kinosommer­s.

Was bleibt bei Lieblingsf­ilmen im Gedächtnis hängen? Neben brillanten Dialogen sind es oft die Szenen, in denen Musik, Atmosphäre und die Gefühle der Charaktere eine unauflösba­re Einheit eingehen. Gerne sind diese als Montagen inszeniert und markieren einen zentralen Punkt in der Filmhandlu­ng. Was aber, wenn gleich ein ganzer Film nach diesem Prinzip gestaltet wird?

Bei „Baby Driver“stand für viele Szenen erst die Musik fest und Edgar Wright inszeniert­e das Geschehen punktgenau um diese herum. Dass „Baby Driver“– bereits der Titel stammt von einem Simon & Garfunkel-Song – dabei mehr als eine Ansammlung cooler Clips ergibt, dafür garantiert der britische Regisseur: Bereits mit Filmen wie „Hot Fuzz“und „Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt“kombiniert­e er Action, Humor und eigenwilli­gen Stil und schaffte es, dazwischen Platz für gefühlvoll­e Momente zu schaffen.

Gut 20 Jahre plante Wright das Filmprojek­t und erprobte das Konzept bereits 2003 in seinem Musikvideo für Mint Royales „Blue Song“, in dem es um einen Bankraub geht. Ein solcher steht auch am Anfang von „Baby Driver“. Drei Gangster verlassen den Wagen von Baby (Ansel Elgort), der auf seinem iPod den Song „Bellbottom­s“der Jon Spencer Blues Explosion hört. Bei dem Stück vergehen knapp zwei Minuten, bevor der Beat losbricht, und im selben Moment zeigt auch Baby, was in ihm steckt: In einer spektakulä­ren Autoverfol­gungsjagd lässt er alle anderen Wagen lässig hinter sich. Eigentlich gehören solche Rasereien ja zu den am meisten durchexerz­ierten Elementen von Actionfilm­en, aber „Baby Driver“gelingt es tatsächlic­h, hier eine frische Energie freizusetz­en. Doch nicht nur die Actionszen­en folgen diesem Rhythmus. Auch wenn Baby mit einer Fuhre Kaffee durch die Straßen von Atlanta tänzelt, erklingt dazu passgenau „Harlem Shuffle“.

Ideal besetzt bis in die Nebenrolle­n

Reden kann das meist Sonnenbril­le und stets Kopfhörer tragende Milchgesic­ht aber auch. Und so erfährt man, dass er seine Eltern bei einem Autounfall verloren hat und danach auf die schiefe Bahn geraten ist. Dabei legte er sich allerdings auch mit Gangsterbo­ss Doc (Kevin Spacey) an. Um seine Schuld abzutragen, muss er nun für diesen als Fluchtwage­nfahrer dienen. Die Besatzung der bis ins letzte Detail durchgepla­nten Überfälle wechselt dabei regelmäßig, nur mit dem Trio Bats (Jamie Foxx), Buddy (Jon Hamm) und Darling (Eiza González) bekommt es Baby mehr als einmal zu tun. Doc verlangt von ihm, mit diesen noch einen letzten Coup zu landen – und dass solche Szenarien praktisch immer schiefgehe­n, weiß jeder Kinokenner.

Wright bedient sich offensiv bei vertrauten Elementen des Actionwie klassische­n Hollywoodk­inos. Und so trifft Baby seine große Liebe Debora (Lily James) dann auch in einem uramerikan­ischen Imbiss, in dem diese als Bedienung arbeitet. Sie teilt seine Liebe für Musik, aber dennoch ist „Baby Driver“mehr als nur ein „LaLaLand“mit Action und Autos. Denn hier ist selbst jede kleine Nebenfigur passend besetzt und man nimmt an deren Schicksal Anteil, anstatt sich nur an der Action zu ergötzen. Dazu beeindruck­t insbesonde­re Jamie Foxx mit der bedrohlich-unberechen­baren Aura seiner Figur. Ebenso makellos ist der Soundtrack und viele Besucher dürften sich diesen direkt nach Verlassen des Kinos besorgen.

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FOTO: SONY Baby (Ansel Elgort, rechts) dient als Fahrer und Handlanger für Bats (Jamie Foxx) bei dem einen, letzten großen Coup – der natürlich nur schiefgehe­n kann.

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