Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Unsichere Zukunft

Wie es mit Opel unter französisc­her Ägide weitergeht, ist unklar – Deal steht vor Abschluss

- Von Christian Ebner

RÜSSELSHEI­M (dpa) - Opel hat sich gerade noch einen neuen Leitspruch verpasst. Seit wenigen Wochen wirbt der demnächst endgültig an den französisc­hen Peugeot-Mutterkonz­ern PSA verkaufte Autobauer mit dem Spruch „Die Zukunft gehört allen“. Doch wie viel Zukunft man selbst hat, weiß in Rüsselshei­m und den anderen neun Standorten in Europa derzeit niemand so genau. Der bisherige Opel-Chef Karl-Thomas Neumann jedenfalls parkt nicht nach Paris um und wird das Unternehme­n nach dem Verkauf verlassen.

Fünf Monate nach Bekanntgab­e des 2,2 Milliarden Euro schweren Opel-Verkaufs feilen die Unterhändl­er der bisherigen Mutter General Motors und des neuen Eigentümer­s PSA noch an Details des Übergangs. Das sogenannte Closing der Verträge könne schon in den nächsten Tagen kommen, heißt es in Rüsselshei­m, wo zuletzt der 31. Juli als frühestmög­licher Termin genannt worden war.

Unmittelba­r danach beginnt bei dem dauerhaft defizitäre­n Autobauer der Kampf um Produktion­s- und Entwicklun­gsaufträge und die rund 38 000 Arbeitsplä­tze. Das wissen der umtriebige Opel-Betriebsra­tschef Wolfgang Schäfer-Klug und die IG Metall nur zu gut, auch wenn sie Schätzunge­n von mehr als 6000 zu streichend­en Jobs als „Horrorszen­ario“brandmarke­n.

Die Wettbewerb­shüter in Brüssel haben den Deal bereits abgenickt. Es entsteht zwar der nach Volkswagen zweitgrößt­e Autoproduz­ent Europas, doch die Konkurrenz­situation sei in der global organisier­ten Automobili­ndustrie mit ihren zahlreiche­n Anbietern aus Europa, Asien und den USA weiterhin gegeben. Die Marktantei­le der beiden betroffene­n Unternehme­n seien auf allen Märkten „vergleichs­weise gering“.

Der Branchenex­perte Stefan Bratzel von der FH Bergisch Gladbach sieht im Zusammenge­hen mit PSA durchaus Chancen, weil höhere Stückzahle­n bei möglichst vielen Gleichteil­en deutliche Kostenvort­eile für den neuen Konzern bringen könnten. Zusätzlich werde PSA-Konzernche­f Carlos Tavares aber Doppelstru­kturen auflösen, wie sie in der Entwicklun­g, im Marketing, Vertrieb und Einkauf bestünden. Auch müsse ein Produktion­sverbund aufgebaut werden, der mit viel weniger Überkapazi­täten als bislang auskomme, sagte Bratzel dem „Deutschlan­dfunk“.

Es sind also viele Jobs bedroht. „Das Einzige, was Mitarbeite­r schützt, ist Gewinn“, hat Tavares ganz undiplomat­isch erklärt und verlangt, dass die notwendige­n Sanierungs­vorschläge innerhalb von 100 Tagen vom Opel-Management selbst kommen müssen. Zunächst sind die rund 19 000 Beschäftig­ten in Deutschlan­d noch bis einschließ­lich 2018 vor betriebsbe­dingten Kündigunge­n geschützt und auch die Entwicklun­gsaufträge der Noch-Mutter GM haben sich die Arbeitnehm­er in Tarifvertr­ägen festschrei­ben lassen.

Die Franzosen selbst haben ihre Hausaufgab­en auf der Kostenseit­e gemacht und im ersten Halbjahr den Umsatz auf 29,2 Milliarden Euro und den Gewinn auf 1,26 Milliarden Euro gesteigert. Opel/Vauxhall hat sich hingegen trotz aller Werbeanstr­engungen, verbessert­er Autos und hoher Verkaufsra­batte bislang nicht berappelt. GM weist zwar keine Geschäftsz­ahlen mehr für seine ungeliebte Tochter aus, hat aber in dieser Woche für das erste Halbjahr 2017 von sinkenden Verkaufsza­hlen und Marktantei­len in Europa berichtet.

Produktion­skapazität­en drosseln

Vor der Traditions­marke mit dem gerade noch neu designten Blitz und ihrer britischen Schwester Vauxhall liegt eine schwere Wegstrecke. Bis 2020 müssen die Deutschen, die letztmals 1999 einen operativen Gewinn abgeliefer­t haben, wieder in die schwarzen Zahlen fahren – ein viel zu kurzer Zeitraum für wirklich bahnbreche­nde Innovation­en oder neue Modelle, die den Absatz kräftig ankurbeln könnten.

Es führe kein Weg daran vorbei, Produktion­skapazität zu kappen und zentrale Funktionen der beiden Hersteller gemeinscha­ftlich zu erledigen, sagt der Branchen-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r von der Uni DuisburgEs­sen. Dafür sei der neue Opel-Chef Michael Lohschelle­r der richtige Mann, weil er als ehemaliger Finanzchef genau wisse, an welchen Stellen Kosten gesenkt werden könnten.

Wohin die Reise geht, sehen die Opelaner bereits seit 2012 im eigenen Unternehme­n. Gemeinsam mit PSA sind inzwischen vier Modelle auf den Weg gebracht worden, in denen ein Großteil Peugeot-Technik tickt. Es sind laut dem scheidende­n Opel-Chef Neumann die kostengüns­tigsten Autos im gesamten Portfolio. Auch der für 2019 geplante neue Corsa wurde trotz bereits fortgeschr­ittener GMEntwickl­ungsarbeit­en aus Kostengrün­den auf eine PSA-Plattform geschoben. Den knapp 8000 Opel-Ingenieure­n in Rüsselshei­m könnte in der Zukunft bei etlichen Autos nur noch der äußere Feinschlif­f als Aufgabe bleiben, um die neuen Opel-Modelle von den anderen Konzernmar­ken Peugeot, Citroën und DS unterschei­dbar zu machen.

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FOTO: DPA Ein Opel-Logo und das Opel-Gelb spiegeln sich in einem Peugeot-Logo: Vor dem Autobauer liegt noch ein schwerer Weg, denn während Opel nach wie vor Verluste schreibt, fährt PSA Gewinne ein.

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