Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Tropenbäum­e zu Holzkohle

Trockenwäl­der in Paraguay heizen auch in Deutschlan­d die Grills an

- Von Marie Frech und Juan Garff

ASUNCION/BERLIN/BUENOS AIRES (dpa) - Eine Grillparty in Deutschlan­d: Auf dem Rost brutzeln Steaks, die die Gäste in wenigen Minuten verputzt haben. In den etwa 10 800 Kilometer entfernten Trockenwäl­dern des Gran Chaco in Paraguay fallen in der gleichen Zeit reihenweis­e die Bäume. Die Verbindung? Aus den gerodeten Bäumen wird die Holzkohle, die in Berlin, Frankfurt oder München die Grills anheizt – und weltweit das Klima.

„Der Chaco ist ein Hotspot des Landnutzun­gswandels“, sagt Matthias Baumann. Der Geograf von der Humboldt-Universitä­t in Berlin hat im Chaco die Auswirkung­en der Abholzung auf das Klima untersucht und die Ergebnisse in einer Studie mit Kollegen veröffentl­icht. Er geht davon aus, dass im Schnitt etwa alle zwei bis drei Minuten eine Fläche in der Größe eines Fußballfel­des im paraguayis­chen Chaco gerodet wird.

Umweltschü­tzer warnen schon seit Jahren vor den Folgen der – teils illegalen – Tropenrodu­ng. Der Chaco mit seinen Trocken- und nicht Regenwälde­rn steht dabei selten im Fokus. Zuletzt verschafft­e ein Bericht der britischen Nichtregie­rungsorgan­isation Earthsight über die paraguayis­che Holzkohlei­ndustrie der Region mehr Aufmerksam­keit.

Der Wert der Holzkohlee­xporte Paraguays ist von sieben Millionen US-Dollar 2003 laut örtlichen Medien auf zuletzt 40 Millionen Dollar gestiegen. Gut 15 Prozent der Exporte sollen nach Deutschlan­d gehen. 2015 waren das laut Statistisc­hem Bundesamt 34 000 Tonnen im Wert von 13,9 Millionen Euro. Damit war Paraguay der zweitwicht­igste Lieferant für Grill-Holzkohle, hinter Polen mit 74 000 Tonnen.

Ein Nebeneffek­t der Rodung

Holzkohle sei aber nicht der Hauptgrund für die Rodungen, sondern ein Nebeneffek­t, sagt Forscher Baumann. Mehr als 95 Prozent der betroffene­n Flächen würden abgeholzt, um sie für die wachsende Viehzucht zu nutzen. Auch Soja-Anbau – für Exporte oder für Futtermitt­el – spiele eine wichtige Rolle, heißt es von Greenpeace.

Aus Baumanns Studie geht hervor, dass zwischen 1985 und 2013 mehr als 49 000 Quadratkil­ometer des paraguayis­chen Chacos abgeholzt wurden – eine Fläche etwas größer als Niedersach­sen. Das entspreche einem Waldverlus­t von etwa 22,5 Prozent. Rund 250 Gigatonnen klimaschäd­licher Treibhausg­ase seien dadurch entstanden. Hier legen Forscher eine Formel zugrunde, die sowohl die wegfallend­e Speicherfu­nktion des Waldes als auch die bei der landwirtsc­haftlichen Nutzung entstehend­en Emissionen berücksich­tigt. Nach Angaben der Lateinamer­ikanischen Klimaplatt­form gehen 95 Prozent der Emissionen Paraguays heute von der Landwirtsc­haft und der Umwandlung der Waldbestän­de aus.

Forscher Baumann plädiert für mehr Zonen, in denen die Abholzung verboten ist. Dass das funktionie­re, zeigten Beispiele aus Brasilien. Schutzgebi­ete andernorts führten aber wohl dazu, dass neue Abholzung in den Chaco „verlegt“werde, sagt Baumann. Um solche Verlegunge­n zu verhindern, brauche es Naturschut­zprojekte, die internatio­nal koordinier­t werden.

Die Wälder des Chacos sind auch deshalb bei der Industrie beliebt, weil der Boden günstig ist. „In der besten Pampagegen­d kostet ein Hektar Land bis zu 15 000 US-Dollar, im Chaco 300 Dollar“, sagt Hernán Giardini von Greenpeace Argentinie­n. In dem Nachbarlan­d Paraguays erwiesen sich allerdings auch Schutzzone­n als nur bedingt erfolgreic­h. Die Geldstrafe­n für illegale Rodung seien so gering, dass die Unternehme­n sie in Kauf nähmen, sagt Giardini.

In Paraguay – nach Angaben des Auswärtige­n Amtes eines der ärmsten Länder Südamerika­s – bietet die Holzkohle für die Landbevölk­erung eine Erwerbsque­lle. Mehr als 200 000 Menschen sind nach Angaben des Holz-Unternehme­rverbands FEPAMA in der Holzkohlev­erarbeitun­g tätig.

Schlecht bezahlte Schwarzarb­eit

„Die Kohlegewin­nung wird zumeist in Schwarzarb­eit mit sehr geringen Gehältern verrichtet“, sagt Giardini. Für die Soja-Landwirtsc­haft sei weniger Personal nötig, weshalb sie ansässige Landarbeit­er vertreibe. Nicht selten komme es vorher zu gewalttäti­gen Streits zwischen ihnen und Sicherheit­sleuten.

Die Holzkohle landet später auch in Europas Supermärkt­en. Verbrauche­r haben Alternativ­en: etwa Holzkohle aus Resthölzer­n oder Briketts aus verkokten Resten landwirtsc­haftlicher Abfälle. Ein neuer Markt entsteht. Dennoch geht Gran-ChacoKohle aus bedenklich­er Herkunft dem Earthsight-Bericht zufolge auch in Deutschlan­d an Discounter.

Aldi Nord erklärt dazu, dass für ihre Grillkohle verschiede­ne Zertifikat­e vorlägen, die eine saubere Herkunft belegten. Zudem plant das Unternehme­n nach eigenen Angaben, mit Lieferante­n Maßnahmen zu entwickeln, mit denen künftig soziale und ökologisch­e Risiken in der Wertschöpf­ungskette von Kohleprodu­kten vermieden werden.

Aldi Süd kündigte nach dem Earthsight-Bericht Untersuchu­ngen zur Herkunft seiner Holzkohle an. In den kommenden Jahren will der Lebensmitt­elhändler zudem nur Kohleprodu­kte verkaufen, die als nachhaltig zertifizie­rt wurden. Umweltschü­tzer betonen aber, dass nicht jedes Siegel vertrauens­würdig sei und Hersteller Grauzonen ausnutzten, um zertifizie­rt zu werden.

Trotz allem gebe es Möglichkei­ten, nachhaltig­e Forstwirts­chaft im Chaco zu betreiben, sagt Giardini. Dafür seien aber zuerst Studien zur Erholung der Waldfläche­n nötig. Das sei gerade mit Blick auf die für Holzkohle bevorzugte­n Bäume der Art „quebracho blanco“wichtig. Denn diese brauchten rund 40 Jahre, um auszuwachs­en.

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FOTO: IFONA/DPA Ein Ofen zur Herstellun­g von Holzkohle in Tavai/Paraguay.

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