Schwäbische Zeitung (Sigmaringen)

Berechtigt­er Protest

- Von Kara Ballarin k.ballarin@schwaebisc­he.de

Alles wäre so einfach, wenn Fluchtbewe­gungen planbar wären. Doch das sind sie nicht. Die derzeitige Ruhe in Deutschlan­d ist trügerisch. Wie viele Plätze zur Aufnahme von Flüchtling­en sollen die Länder also vorhalten? Solche Zustände wie Ende 2015, in denen über Nacht Hallen zu provisoris­chen Massenunte­rkünften wurden, sollen sich nicht wiederhole­n. Doch auch ungenutzte Einrichtun­gen müssen gepflegt werden, und je mehr Unterkünft­e, desto mehr Kosten.

Das Standortko­nzept, das Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) bereits vor einem Dreivierte­ljahr vorgelegt hat, zeigt diese Gratwander­ung. Der eingebaute Puffer für einen möglichen Anstieg der Flüchtling­szahlen ist richtig. Und logisch ist auch, dass bestehende, gut geeignete Unterkünft­e wie ehemalige Kasernen vornehmlic­h genutzt werden sollen. Die wirtschaft­liche Perspektiv­e darf aber nicht über den Interessen der Menschen stehen.

Der scheidende Ombudsmann für die Landeserst­aufnahme für Flüchtling­e hat recht, wenn er sagt, dass die Größenverh­ältnisse zwischen Bürgerscha­ft und Asylsuchen­den beachtet werden sollten. 1250 Flüchtling­e im Verhältnis zur 16 000-EinwohnerS­tadt Sigmaringe­n sind jenseits verträglic­her Größenordn­ungen. Zumal die Sigmaringe­r mit einigen Asylsuchen­den sehr ungute Erfahrunge­n gesammelt haben.

Kleine Städte wie Ellwangen und Sigmaringe­n sind eigentlich ideale Ankunftsor­te für Flüchtling­e – viel besser als anonyme Großstädte. Zugewander­te könnten viel leichter ins Gemeinscha­ftsgefüge einer ländlich geprägten Kommune aufgenomme­n werden und lernen, was es heißt, hier zu leben. Die Bereitscha­ft hierfür gibt es aber sicher nicht, wenn die Bürger das Gefühl haben, von der Politik überfahren zu werden und keinerlei Mitsprache­recht zu haben.

Es war ungeschick­t vom Innenminis­ter, die Städte bei der Standortpl­anung nicht von Anfang an einzubinde­n – sie protestier­en zu Recht. Wenn Strobl die berechtigt­en Interessen der Bürger bei der Planung schon zu wenig beachtet hat, muss er wenigstens jetzt nachbesser­n.

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